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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition)
Autoren: Marlene Faro
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»Danke. Leo wird gleich da sein, er holt dich ab. Bis später.«
    Sie eilte
durch den Gang davon, draußen hörte man Rumoren, das war die Loibnerin, die sich
eilig mit einem Wäschekorb zu schaffen machte. Er öffnete wieder die Tür und trat
in die Küche. Die alte Kathi saß noch immer auf der Bank und blickte ihm entgegen.
Ganz sicher hatte sie seinen Ausruf gehört. Linsen!
    Ganz ruhig
saß sie da, das leer getrunkene Wasserglas vor sich. Und plötzlich schien es Pestallozzi,
dass er zum zweiten Mal an diesem Tag eine Regung auf einem Gesicht erblickte, die
nur eine Andeutung, eine Ahnung war. Beim alten Gleinegg war es Überraschung gewesen,
die noch durch das schmerzverzerrte Gesicht geschienen hatte. Die alte Kathi hingegen
schien so gefasst und ruhig, aber noch etwas sprach aus ihren Zügen zu Pestallozzi.
Es war ganz eindeutig Genugtuung.
    15 Minuten
später verließen sie den Hof. Leo war gekommen, um seinen Chef abzuholen, er hatte
gebeten, kurz die Toilette benutzen zu dürfen und ebenfalls ein Glas eiskaltes Mineralwasser
hinuntergestürzt. Pestallozzi hatte Kathi Luggauer angeboten, sie nach Hause zu
bringen, aber die wollte lieber mit der Loibnerin fahren. Also hatten sie sich verabschiedet
und waren in dem silbernen Skoda davongebraust, die Loibnerin sah ihnen nach. Zwei
so fesche Männer sieht man hier selten, dachte sie. Die dürfen ruhig wiederkommen
und mich befragen.
    Leo fuhr
wie bei einer Rallye, Pestallozzi auf dem Beifahrersitz spürte alle seine Knochen
vibrieren. »Geh vom Gas«, sagte er, »auf fünf Minuten mehr oder weniger kommt es
jetzt auch nicht an.« Leo schaltete einen Gang zurück.
    »Weißt du
den Weg?«, fragte Pestallozzi.
    »Die Hütte
ist ja von jedem Punkt an diesem See aus zu sehen«, sagte Leo finster. »Aber ich
hab es mir beschreiben lassen, wie man am besten hinkommt. Rund um den Besitz ist
eine Mauer, wie im Mittelalter, es gibt drei Tore, aber nur eines ist geöffnet.
Manchmal. Zu dem müssen wir hin.«
    »Hoffentlich
sind noch keine Journalisten da.«
    »Diese Schmeißfliegen
sind sicher schon da. So was lassen sich die nicht entgehen. Das ist doch fast so
gut wie die Hochzeit von irgend so einer Kronprinzessin.«
    Sie fuhren
die Uferstraße entlang, Pestallozzi kam die Stimmung rundum wie eine Fata Morgana
vor. Familien radelten unter den Alleebäumen der Promenade, in den Eisdielen saßen
die Urlauber vor Bananensplit und Coup Melba, zottelige Pferde zogen eine Kutsche
mit Kindern. Rechts von ihnen schaukelte der tiefdunkelblaue See mit weißen Schaumkrönchen
und weißen Segelbooten, links stiegen die Hügel hinauf zum Bergkamm, grün bewaldet,
zwischen den Bäumen schimmerten die Hotels und Villen. Schräg, etwa einen Kilometer
auf einem der Hügel vor ihnen, ragten Türme aus dem Geäst, sie erinnerten Pestallozzi
an die Burg, die er als Kind einmal aus einem Bastelbogen ausgeschnitten und sorgsam
auf Karton geklebt und zusammengebaut hatte. Seine kleine Schwester hatte sich dann
daraufgesetzt, aber ohne böse Absicht.
    »Im Präsidium
ist der Teufel los«, sagte Leo mitten in Pestallozzis Grübeleien hinein. »Der Präsident
hat schon zweimal angerufen, er bricht sogar seinen Urlaub in Venedig ab, was sagt
man dazu. Wenn irgendein kleiner Beamter angeschossen wird, dann unterbricht der
nicht einmal seinen Campari am Markusplatz. Aber natürlich, wenn so ein …« Leo brach
ab.
    »Weißt du
schon mehr über den Gleinegg?«
    »Eigentlich
nur das, was eh jeder weiß und was immer über ihn in der Zeitung steht. Großgrundbesitzer,
Jäger, Vater von der Henriette, das ist diese Tussi, die bei allen Premieren über
den roten Teppich stöckelt. Vier Töchter und ein Sohn, die Frau ist schon seit Jahren
tot, offenbar hat er erst spät geheiratet. Eine italienische Adelige, logo. Einmal
hat er angeblich ein Fernsehteam aus dem Haus geworfen, weil ihn die ganz schlicht
mit Herr Gleinegg angeredet haben und nicht mit ›Hochwohlgeboren‹, das muss man
sich einmal vorstellen.« Leo schnaufte, er war ganz entschieden kein Monarchist.
    »Die Sache
hat allerhöchste Priorität, lässt uns der Präsident übrigens ausrichten. Ja, was
denn sonst! Morgen früh um acht ist große Sitzung, es kommen angeblich sogar so
Wichtigtuer aus Wien. Der Alte scheint eine Menge Verbindungen und Einfluss gehabt
zu haben.«
    Pestallozzi
nickte. Sie rumpelten nun über eine steile Straße, die scharf links vom Ufer wegführte.
›Privatbesitz‹ hatte ein Schild gleich zu Beginn verkündet,
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