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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition)
Autoren: Marlene Faro
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aber das war in dieser
Gegend keine Seltenheit, eher die Regel. Meist stand dann noch die Warnung ›Achtung,
freilaufende Hunde‹ dabei. Sie fuhren an einer Mauer entlang, die verwittert und
moosbewachsen war, aber die schmie-deeisernen Spitzen obenauf wirkten, als ob sie
erst kürzlich frisch lackiert und geschliffen worden wären. Dann machte die Privatstraße
eine weitere Biegung nach links – und da waren sie: zwei Kastenwagen von Privatsendern
und ein geschätztes Dutzend an Reportern und Kameraleuten. Pestallozzi fühlte, wie
er vor Widerwillen zu schwitzen begann, eine körperliche Reaktion, die er seit seiner
Jugend nicht unterdrücken konnte. Zum ersten Mal seit Langem bedauerte er, dass
er keine Sonnenbrille dabei hatte, am besten so eine verspiegelte, wie sie diese
Laffen von CSI immer trugen. Leo fuhr nun langsamer, die Meute hatte sie mittlerweile
natürlich entdeckt und kam im Laufschritt heran, die Kameraleute und Kabelträger
keuchten unter ihrer Last. »Nur eine Minute!« – »Können Sie uns ein erstes Statement
geben?« – »Ist es wirklich ein Ritualmord gewesen?«
    »Morgen
bist du berühmt, Chef!«, feixte Leo neben ihm. »Du weißt schon, wie diese Fernsehkommissare.
Detective Horatio Caine, was können Sie uns über die Mordwaffe sagen?«
    Pestallozzi
sah ihn grimmig an, jetzt war ganz bestimmt nicht der richtige Moment für dumme
Scherzchen. Das Tor in der Mauer, dem sie sich nun näherten, war nämlich eindeutig
geschlossen, und Pestallozzi mochte sich nicht ausmalen, was es für ein Bild abgeben
würde, wenn er jetzt aussteigen und wie ein Untertan vor 100 Jahren vergeblich daran
rütteln musste. Verdammt, verdammt.
    »Das geht
schon in Ordnung«, sagte Leo neben ihm. Und dann sah auch Pestallozzi die Gestalt
in Uniform, die nun aus dem Schatten neben dem Tor hervortrat und salutierte.
    »Krinzinger!«,
rief Pestallozzi.
    Krinzinger
trat ans Wagenfenster, die Kameras surrten und klickten wie ein Hummelschwarm. Krinzinger
zog den Bauch ein und salutierte nochmals. Da würden seine Kumpels von der Blasmusik
endlich einmal Augen machen und ihm den gehörigen Respekt erweisen. Der wurde ihm
normalerweise nämlich schmählich verweigert, wenn man nebeneinander in der Volksschulbank
geschwitzt hatte, dann blieb man im Dorf eben der tollpatschige Krinzinger, auch
in Uniform. Aber damit war ab heute Schluss, Krinzinger fühlte es einfach instinktiv.
    »Melde gehorsamst,
dass ich dafür Sorge getragen habe, dass das Tor geöffnet wurde. Für die Presse
habe ich eine Sperrzone von 200 Metern ausgesprochen …« – Krinzinger warf einen
Blick über seine Schulter, die Sperrzone war eindeutig zusammengebrochen – »… und
Sie werden im Schloss bereits erwartet. Allerdings sind nur die jüngste Tochter
des Herrn Ba…, äh, Gleinegg und sein, äh, Diener, der Jakob Rittlinger, anwesend.«
    Krinzinger
wischte sich erschöpft über die Stirne, es war ganz schön anstrengend, ein Ermittler
der Spitzenklasse zu sein.
    Pestallozzi
sah ihn dafür aber auch überaus freundlich an. »Danke, Inspektor Krinzinger, das
war ausgezeichnete Arbeit.«
    Dann gab
Leo wieder Gas, und sie ließen Krinzinger bei der Journalistenmeute zurück, Pestallozzi
hatte beinahe ein schlechtes Gewissen, als er im Rückspiegel sah, wie sich alle
auf den schwitzenden Inspektor stürzten. Ob er ihn nicht besser eindringlich an
seine Schweigepflicht hätte erinnern sollen? Andererseits, das wäre doch zu herablassend
gewesen, auch ein Dorfpolizist hatte seine Ausbildung absolviert. Er wandte sich
seinem jungen Kollegen zu, der ihn erwartungsvoll angrinste.
    »Das ist
auf deinem Mist gewachsen, oder? Gut gemacht! Dafür hast du was bei mir gut!«
    Leo grinste
nun so breit, dass es Pestallozzi beinahe rührte. Auf’s Loben nicht vergessen, dachte
er, das muss ich mir öfter mal in Erinnerung rufen. Die Straße war nach dem Tor
zu einem breiten Kiesweg geworden, sie passierten eine Marmorstatue, die wie ein
weinender Engel aussah, auf einer Wiese zur Rechten stand ein chinesisch anmutender
Pavillon, dann endlich rollten sie direkt vor dem Schloss aus.
    »Dass es
so was noch gibt«, sagte Leo. »Und ich kann mir kaum meine zwei Zimmer leisten.«
    »Jetzt vergiss
einmal den Klassenkampf, ja?«, sagte Pestallozzi.
    Leo schaute
beleidigt drein. Dann sahen sie zu dem holzgeschnitzten Portal hoch, von dem sie
nur noch eine geschwungene Freitreppe trennte. Pestallozzi musste an die Fotos von
großen Adelshochzeiten denken, die manchmal
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