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Blutige Rache

Titel: Blutige Rache
Autoren: John Sandford
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nieder, zog die unterste Schublade heraus und schob eine Hand unter einen Stapel Sweatshirts. »Sie ist weg.« Sie erhob sich und schüttelte den Kopf. »Sonst hat er sie nie mitgenommen. Das hätte ich gewusst.«
    »Chief Mattson sagt, Sie wollten mir was über Bobby erzählen.« Virgil setzte sich wieder in Richtung Küche in Bewegung. »Was ist heute Abend passiert?«
    Sie holte Kaffee aus dem Küchenschrank. »Es gibt leider nur löslichen … Ich hab ihm gesagt, er soll nicht rausgehen.«
    »Löslich ist prima«, beruhigte Virgil sie. »Warum sollte er denn den Hund nicht spazieren führen?«
    »Irgendwas war im Busch, und er wollte mir nicht verraten, was. Vorgestern Abend sind zwei Männer bei ihm aufgetaucht. Sie haben sich auf der Straße mit ihm gestritten.«
    »Hatte er Angst vor ihnen?«
    Sie blieb mit der Dose Instantkaffee stehen, machte ein erstauntes Gesicht. »Nein, nein, vor denen nicht. Wegen dem Gespräch hat er offenbar die Pistole mitgenommen. Er war ziemlich aus der Fassung, als er reinkam.«
    »Können Sie die Männer beschreiben?«, fragte Virgil.
    »Ich hab nur einen von ihnen richtig gesehen - war möglicherweise ein Polizist. Einen Daumen hatte er in der Gürtelschlaufe eingehakt, wie Cops das gern machen.«
    Virgil holte sein kleines schwarzes mit einem Gummiband
verschlossenes Moleskin-Notizbuch aus der Tasche. Davon kaufte er immer gleich ein Dutzend auf einmal, eines für jeden schwierigen Fall, an dem er arbeitete. Nach der Lösung stellte er das jeweilige Büchlein - manchmal auch mehrere - ins Regal, als Quelle für eventuelle spätere fiktionale Werke.
    Virgil zog das Gummiband zurück, schlug das Notizbuch auf und schrieb hinein: »Polizist.«
    »Das Gesicht von dem anderen Typ haben Sie nicht gesehen?«, erkundigte er sich.
    »Nein, nicht besonders gut. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, dass er Indianer war. Wirkte stämmig, hatte kurze Haare, trug eine Jeansjacke und eine Levi’s und ist wahrscheinlich mit dem Motorrad gekommen, weil ich ein Bike gehört habe, bevor Bobby rausging, und noch mal eins, als er wieder im Haus war. Der Polizist hatte ein Auto dabei.«
    »Was für eins?«
    »Einen Jeep«, antwortete sie mit einem kleinen Lächeln. »So einen hatte ich früher auch, war mein absoluter Lieblingswagen, ein roter Jeep Cherokee.« Sie starrte einen Moment vor sich hin. »Mein Gott, warum musste das bloß passieren?« Ihre Hand mit dem Kaffee begann zu zittern.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Virgil und notierte »roter Cherokee« und »Indianer/Motorrad« in sein Büchlein.
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Tut mir leid«, sagte Virgil. »Darf ich Ihnen trotzdem noch ein paar Fragen stellen?«
    »Ja, ich mach währenddessen den Kaffee.« Sie gab zwei Löffel in zwei Porzellanbecher, füllte sie mit Wasser, rührte um und stellte sie in die Mikrowelle; der Ablauf wirkte eingespielt, als hätte sie das jeden Morgen mit Sanderson gemacht. »Noch was«, bemerkte sie. »Möglicherweise heißt der Indianer Ray.«

    »Wie kommen Sie darauf?« Als die Mikrowelle piepste, nahm sie die Tassen heraus und schob Virgil eine hin. Sie tranken beide einen Schluck von dem starken, heißen Kaffee. »Warum Ray?«, hakte Virgil nach.
    Ray, ein alter Freund Sandersons, war ein Ojibwa, ein Chippewa, aus Red Lake. Sie hatte ihn nie persönlich kennengelernt und von Bobby auch nie erfahren, woher sie sich kannten, aber in den vergangenen drei Wochen waren die beiden mehrfach zu Veteranentreffen in St. Paul gefahren.
    Virgil spitzte die Ohren. »Zu Veteranentreffen?«
    »Ja. Bobby hat mir nichts Näheres erzählt. Das klingt jetzt vielleicht, als hätte er mir nie was gesagt, doch das stimmt nicht. Im Gegenteil: Er konnte richtig redselig sein. Aber die Männer auf der Straße und die Treffen … Ich hatte den Eindruck, dass er darüber nicht mit einer Frau sprechen konnte. Das war Männersache, hatte eine lange Vorgeschichte.«
    Virgil schrieb »Ray/Indianer« und »Veteranentreffen« in sein Büchlein.
    »Ging es dabei Ihrer Ansicht nach um eine Art Gruppentherapie?«, fragte Virgil.
    »Könnte sein.« Sie kniff die Augen ein wenig zusammen. »Warum Bobby so eine Therapie nötig gehabt hätte, weiß ich allerdings nicht. Er betreute damals die Fahrzeugbrigade in einem ziemlich unwichtigen Raketenbataillon. Seinen Schilderungen zufolge trafen sie bei den Schießübungen nicht mal den Berg, auf den sie zielten.«
    »In Korea.«
    »Ja, irgendwo in den Hügeln. Chunchon oder so ähnlich.«
    »Wissen
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