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Blutige Küsse und schwarze Rosen

Blutige Küsse und schwarze Rosen

Titel: Blutige Küsse und schwarze Rosen
Autoren: Irina Meerling
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noch nicht – sondern erst einmal bloß zuhören.
    „Jedenfalls …“, fuhr Nico nach kurzer Pause fort. „Je älter ich wurde, desto mehr Angst hatte ich, dass das schon alles im Leben sein sollte. Dass nicht mehr für mich bestimmt sein soll. Dass mein Leben wie ein Countdown abläuft, und ich nie einen Moment zum Leben, zum Durchatmen haben würde. Ich wünschte mir immer mehr Zeit … Und plötzlich lag die Ewigkeit vor mir. Alle Zeit der Welt. Es war, als hätte jemand die Sanduhr, die mein Leben war, zerbrochen und mir stattdessen die Unendlichkeit geschenkt.“
    Minuten der Stille verstrichen.
    Tausende von Regentropfen fielen in der dunklen Nacht zur Erde.
    Und schließlich fragte Elias: „Macht dir also die Unendlichkeit Sorgen?“ Er verstand nicht.
    „Nein, überhaupt nicht.“ Nico lächelte über die Verwirrung in seinem Gesicht. „Ich fürchte mich nicht davor. Nicht mehr. Ich habe ja nun dich. Aber genau das ist es: Anstatt dich zu schützen, war ich egoistisch. Ich habe mir eingeredet, du würdest dir genau dieses Dasein wünschen. Alles, was dagegen sprach, blendete ich aus, ohne es selbst zu merken. Und dann habe ich dich verwandelt und dir dieses Leben aufgezwungen, das ich nicht allein führen wollte.“ Flehentlich sah Nico ihn an. „Du musst mir glauben: Wenn ich gewusst hätte, dass es so endet … Dass ich dazu verdammt sein würde, ein Leben bei Nacht zu leben, und dass du dieses Leben mit mir teilen musst …“
    „Ich liebe die Nacht“, entgegnete Elias ruhig, ehe sein Freund sich weiter mit seinen Selbstvorwürfen quälen konnte. „Ich liebe den Anblick jeder Lichtquelle, die sich durch die Finsternis bahnt . Liebe die Ruhe, dank der man die Geräusche der Natur – den Regen, die Grillen und den Wind – in sich aufnehmen kann.“ Seine Augen wanderten über die Gemeinde zu ihren Füßen und den Himmel über ihren Köpfen. „Ich liebe die Atmosphäre einer sternengespickten, mondbeschienen Nacht, die etwas Magisches hat und jeden Gedanken klarer werden lässt. Ich liebe diese stillen Momente, die nur zu zweit noch schöner sein können, als allein.“
    „Weißt du, was ich liebe?“ Nico lockte Elias’ Blicke zurück auf sich. „Jemanden, den ich bereits so lange liebe, ohne mir dessen wirklich bewusst geworden zu sein.“
    Ein freudiges Ziepen machte sich in Elias’ Bauchgegend bemerkbar, als Nico ihm eine Hand in den feuchten Nacken schob und ihn zu sich heranzog. Sanft streiften die weichen Lippen Elias’ Wange, küssten einzelne Regentropfen von ihr, ehe sie sich endlich dem Mund zuwandten.
    Nicos Kuss war vorsichtig, zärtlich. Und viel zu kurz.
    „Verzeih mir, dass ich zu blind war, es eher zu erkennen“, bat er leise und sein Atem kitzelte Elias’ Lippen, was ihm ein wohliges Zittern über den Rücken laufen ließ. Ein Zittern, das Nico falsch deutete. „Lass uns reingehen“, meinte er. „Der Wind ist ziemlich frisch.“
    Nachdem er sich auf den wasserbedeckten Dachziegeln der Garage aufgerichtet hatte, bot er Elias eine Hand, um ihm hochzuhelfen. Schmunzelnd nahm er diese an, während ihm durch den Sinn ging, dass Nico sich über die Jahre hinweg an die Rolle des Stärkeren und Geschickteren gewöhnt haben musste.
    Im Trockenen angekommen, schloss Elias das Fenster und betrachtete den Körper vor sich, dessen Konturen die regendurchtränkte Kleidung auf unverschämt schöne Weise unterstrich.
    „Du solltest die nassen Sachen ablegen“, murmelte er. „Sonst erkältest du dich noch.“
    Ein schiefes Lächeln huschte über Nicos Gesicht. „Das ist nun wirklich das Letzte, das mir passieren wird.“
    „Könntest du nicht mitspielen?“ Jetzt musste auch Elias verschmitzt lächeln. Ihm war klar, dass Nico sehr wohl verstand, worauf er hinaus wollte. Aber wollte sein Freund es von ihm hören.
    „Warum sagst du nicht einfach, dass ich mich ausziehen soll?“, fragte Nico grinsend und bestätigte den Verdacht. Mit einem Schritt machte er die wenigen Zentimeter zwischen sich und Elias zu Millimetern und sah ihm tief in die Augen. „Ich möchte es hören.“
    „Zieh dich aus“, wisperte Elias ein wenig unsicher und seine eigene Aufforderung jagte ihm winzige Stromschläge in Richtung der Lenden.
    „Wieso?“ Nicos Blick ließ nicht von ihm ab. Er musterte Elias eingehend, wollte ihn aus der Reserve locken.
    „Ich möchte mit dir schlafen.“
    Der gehauchte Wunsch konnte Elias’ Unsicherheit nicht wettmachen. Das Gegenteil war der Fall: Seine schwache
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