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Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Titel: Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
Autoren: Stuart Neville
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hässliche Schluchzer brodelten aus ihrem Brustkorb empor, und sie vergrub das Gesicht in den Händen. Wieder einmal stellte sie sich vor, wie sie dem alten Mann ein Kopfkissen aufs Gesicht drückte und vor dem bewahrte, was er auch immer in seinem Hirn ausbrüten mochte.

5
    Sylvia Burrows tupfte sich mit einem zusammengeknüllten Papiertaschentuch die Nase ab. Ihre dicke Brille vergrößerte ihre tränenerfüllten Augen. Sie schniefte lange und laut, dann atmete sie aus und ließ resigniert die Schultern hängen. Lennon saß ihr am Tisch des Vernehmungszimmers gegenüber, zwischen ihnen lag ein Schreibblock mit seinen Notizen. Er würde die Aussage am Nachmittag abtippen und sie dann wieder anrufen, damit Sylvia sie am Morgen unterschreiben konnte.
    »Im Lauf der Jahre habe ich es dreimal erlebt, dass Männer in meinem Café erschossen wurden«, sagte Sylvia. »Einer in den späten Siebzigern, der zweite 1981 während der Hungerstreiks und der dritte kurz vor dem Waffenstillstand. Jeden von ihnen habe ich gekannt und sie mit ihrem Namen angesprochen, als ich ihre Hand hielt. Das Gefühl werde ich nie mehr vergessen, das Zittern in ihren Fingern. Dann hört es plötzlich auf, und sie werden kalt.«
    Sylvia legte ihre Hände flach auf den vollgekritzelten Tisch und spreizte die Finger. Alte Brandnarben übersäten die schlaffe Haut, um den linken Ringfinger klebte ein blaues Pflaster. Die Frau starrte auf sie hinab. »Mein Gott, ich werde alt«, sagte sie.
    Lennon legte seine Hände auf ihre. Sie umklammerte seine Finger und drückte sie.
    »Sie sind ein guter Junge«, sagte sie.
    Er widerstand dem Verlangen, seine Hände wegzuziehen und ihr zu erklären, dass an ihm nicht besonders viel Gutes war.
    »Attraktiv«, sagte Sylvia. Sie hob seine Hände hoch, drehte sie und musterte ihre Form. »Das war immer meine schwache Seite. Attraktive, gutaussehende Kerle.«
    Lennon erwiderte ihr Lächeln. »Danke, dass Sie mit mir sprechen. Ich hoffe, Sie werden auch als Zeugin aussagen, wenn es vor Gericht geht.«
    »Ich habe noch nie ausgesagt.« Sylvia legte ihre Hände wieder auf die Tischplatte. »Von zweien habe ich die Gesichter erkannt, als sie diese Männer in meinem Café erschossen. Hätte glatt Bilder von denen zeichnen können. Ich sehe sie immer noch vor mir. Aber dann kriegte ich plötzlich spätabends Anrufe und Kugeln mit der Post. Ich bin noch nie ins Gericht gegangen. Aber diesmal mache ich es.«
    Sie drückte Lennons Handgelenke.
    »Danke«, sagte er. »Ihnen passiert nichts, das verspreche ich. Sie brauchen keine Angst zu haben.«
    »Um Angst geht es überhaupt nicht«, sagte Sylvia, und ihre Züge verhärteten sich. »Leute vom selben Schlag sollten zusammenhalten. Gütiger Himmel, man versucht doch nicht, jemanden umzubringen, der aus demselben Stall kommt wie man selbst. Wenn man den eigenen Leuten nicht mehr trauen kann, wem kann man dann denn überhaupt noch trauen?«
    Lennon rang sich ein Lächeln ab und schob seine Hände unter ihre. »Ich bin froh, dass Sie das so sehen.«
    Ein Klopfen an der Tür zerstörte den vertrauten Moment. Chief Inspector Uprichard lehnte sich hinein.
    »Haben Sie mal eine Minute für mich?«, fragte er.

    Detective Chief Inspector Dan Hewitt saß neben Uprichards Schreibtisch und musterte Lennon. Hewitt und Lennon hattengemeinsam Garnerville durchlaufen. Hewitt war die Karriereleiter weiter emporgeklommen, obwohl er mit 36 sogar noch ein Jahr jünger war als Lennon. Er war intelligent, mit allen Wassern gewaschen und bestens für die verdeckten Ermittlungen des Geheimdienstes C3 geeignet. Während Lennon es mit Mühe in das für Kapitalverbrechen zuständige Dezernat C2 geschafft hatte, war Hewitt problemlos in das brandneue Dezernat übernommen worden, das inzwischen an die Stelle der Special Branch getreten war. Diese runderneuerte Einheit, für das Nordirland der Zeit nach dem Waffenstillstand vom alten Filz gesäubert und aufpoliert, war nicht mehr darauf angewiesen, dass die Cops ihre eigenen sehr geheimen Geheimnisse besaßen.
    Trotzdem wusste jeder, was sich hinter dem C3 verbarg ; viele nannten ihn auch weiterhin Special Branch, wenn sie nicht gerade ein Formular ausfüllten oder mit der Presse sprachen. Die Beamten des C3 arbeiteten nach wie vor in einem abgeriegelten Trakt weitab von ihren Kollegen, mit schalldichten Wänden und Türen mit Ziffern. Vor erst zehn Jahren hatte die Special Branch zahllose Leben gerettet, indem sie Informanten bezahlt,
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