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Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Titel: Blutige Fehde: Thriller (German Edition)
Autoren: Stuart Neville
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Geld an«, sagte er.

4
    »Ich traue ihm nicht«, sagte Orla zu ihrem Vater, nachdem einer der Männer den Nomaden hinausbegleitet hatte. »Diese Zigeuner sind doch alle gleich. Die würden einem sogar die Luft zum Atmen stehlen, wenn man sie ließe.«
    »Um Vertrauen geht es gar nicht«, erwiderte Bull.
    Nachdem der Besucher gegangen war, sank er wieder in seinen Sessel zurück und schien irgendwie zu schrumpfen.
    Es machte Orla immer noch zu schaffen. In ihrer Kindheit war ihr Vater ihr stets wie ein Riese vorgekommen, ganz gleich, ob er sie mit seinen Pranken umarmte oder ohrfeigte. Und je mehr sie heranwuchs, desto kleiner schienen die anderen Männer zu werden, er jedoch blieb gleich imposant. Es war nicht nur sein mächtiger Wuchs, obwohl der durchaus beeindruckend war. Seine wahre Größe kam von innen: Er war ein Seelenriese, der ultimative Boss. Jetzt aber wirkte er kleiner, so als hätte jemand den Riesen aus ihm herausgesogen und nur noch Haut und Knochen übrig gelassen.
    Dieser Jemand war Gerry Fegan, und allein schon beim Gedanken an seinen Namen schwoll der Hass in ihrer Brust an. Aber Orla war eine praktisch veranlagte Frau, immer schon gewesen. Während ihre Brüder ihre ganze Jugend versoffen und vom Namen ihres Vaters lebten, hatte sie immer danach gestrebt, sich ihres Namens würdig zu erweisen.
    »Willst du wieder ins Bett?«, fragte sie.
    »Ja, Liebes«, sagte er. »Ich bin müde.«
    Orla trat zu ihm und fasste ihn unter den Armen. Er verschränkte hinter ihrem Nacken die Hände, und beide ächzten, als sie ihn hochhievte.
    »Schön vorsichtig«, sagte sie, als er sein verletztes Bein senkte und die Decke wegrutschte. Beim Auftreten sog er zischend die Luft ein.
    Noch vor ein paar Monaten wäre allein schon der schiere Gedanke, ihn hochzuheben, absurd gewesen, ganz gleich, wie stark gebaut und kräftig sie selbst sein mochte. Aber nun, wo er nur noch ein ausgehöhlter Riese war, schaffte sie es mühsam.
    Orla ging rückwärts und ließ ihn winzige Kinderschrittchen machen, während er sich von ihr mitziehen ließ. Sie spürte den Rand des Bettes an ihren Oberschenkeln und drehte ihren Vater um. Er sackte auf die Matratze, und das Bett ächzte. Sie hob seine Beine hoch und schwang sie über die Laken. Ihr Vater keuchte und fluchte.
    »So«, sagte sie. »Leg dich hin.«
    Er gehorchte und ließ sich in den Kissenstapel sinken. Seine fleckige Stirn glänzte vor Schweiß. Sie holte einen Becher mit Wasser und hielt ihn ihm an die Lippen, dann tupfte sie das, was heruntergekleckert war, mit einem Papiertuch ab. Sein Fleisch fühlte sich so weich an, dass ihr unwillkürlich die Tränen kamen. Orla unterdrückte sie.
    »Ich mag den Kerl nicht«, sagte sie.
    »Er ist der Beste«, erwiderte ihr Vater. »Ob du ihn magst oder nicht. Ich bezahle ihn dafür, dass er einen Job erledigt, nicht dafür, dass er dein Freund ist.«
    »Für Toner und die anderen brauchst du ihn doch gar nicht.« Orla warf den Becher und das Papiertuch in den Abfalleimer. »Jeder Scheißer könnte die erledigen.«
    »Nicht fluchen, Liebes«, sagte Bull. »Fluchen gehört sich nicht für ein Mädchen.«
    Sie ergriff seine große Hand. »Ach, jetzt sei doch nicht so ein alter Nörgler. In Wahrheit könntest du doch jeden kriegen, um den Job zu übernehmen und diese Typen zu erledigen.«
    Ihr Vater seufzte und atmete so lange aus, bis der mächtige Brustkorb einzufallen schien. »Für die brauche ich ihn tatsächlich nicht. Aber für Fegan.«
    Orla musterte die aufgeplatzten Äderchen, die kreuz und quer über sein Gesicht liefen, seine buschigen Brauen und die dunklen Ringe unter den Augen. »Du könntest Fegan doch auch laufen lassen. Keiner hat seitdem noch etwas von ihm gehört. Er wird sich fernhalten. Er hat keinen Grund zurückzukommen.«
    Seine Hand löste sich von ihrer. »Ich kann das nicht mehr hören. Du wirst mich sowieso nicht umstimmen.«
    »Die Träume werden nicht aufhören, auch wenn du ihn tötest«, beharrte sie und umklammerte erneut seine dicken Finger. »Du glaubst zwar, dir würde es wieder gutgehen, wenn er tot ist, aber so wird es nicht sein. Es gibt keine …«
    »Geh jetzt, Liebes.« Er entzog ihr seine Hand. »Ich bin müde.«
    »In Ordnung.« Orla beugte sich vor und küsste ihn auf die feuchte Stirn. Sie ließ die Lippen dort ruhen, bis er den Kopf wegdrehte.
    Die Tür schloss sich geräuschlos hinter Orla, und sie trat in den Flur. Sie setzte sich in den Sessel gegenüber dem Zimmer ihres Vaters. Tiefe,
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