Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Autodecke. »Das zu Stein gewordene Wunder Prag. In jedem Rinnstein plätschern die Jahrhunderte. Dieser Zauber des Barock. Psst … hören Sie –«
    »Was?« sagte Irena unbewußt.
    »Mozart! ›Reich mir die Hand, mein Leben –‹« Er unterbrach sich, weil Irena Dolgan an der Türklinke zerrte, sie aber nicht bewegen konnte, da Pilny sie von innen verriegelt hatte. »Sie mögen Mozart nicht, Irena?«
    »Ich mag Männer Ihres Geisteszustandes nicht«, zischte sie ihn wütend an. Sie sah wieder entzückend aus, und Pilnys Herz begann merkwürdig schwer zu werden und zu zucken. Das ist doch nicht möglich, sagte er sich, Junge, das kann doch nicht sein! Es hat bei dir eingeschlagen wie ein Blitz, und nun brennst du lichterloh und wehrst dich gegen alle Versuche, diesen Brand zu löschen. Es ist ein wunderbares Feuer, Junge.
    »Machen Sie die Tür auf!« rief Irena. »Oder soll ich die Scheiben einschlagen? Ich warne Sie, Karel Pilny!«
    »Oh, Sie haben meinen dummen Namen behalten!« Pilny drehte den Zündschlüssel und startete. »Sie machen mich glücklich, Irena.« Er fuhr an, ehe sie noch etwas erwidern konnte und raste ausgesprochen verkehrswidrig über den Wenzelsplatz und in die Mezibranska hinein. Von dort bog er ab in die Katarinska und hupte alle langsameren Wagen aus dem Weg.
    »Wo wollen Sie denn hin?« schrie Irena und klammerte sich am Armaturenbrett fest. »Sie fahren ja wie ein Irrer!«
    »Ich will zum Botanischen Garten«, sagte Pilny mit starrem Gesicht.
    »Blumen zählen?«
    »O Irena … ich will den blühenden Büschen erzählen: Hört, ihr Blüten, vom Tau geküßt … sie hat meinen Namen behalten! Irena Dolgan hat meinen Namen –«
    Er kam nicht weiter, sondern hatte große Mühe, den Wagen auf der Straße zu halten. Er schleuderte hin und her, quietschte über den Asphalt und entging um Zentimeter dem Zusammenprall mit einem Brotwagen. Und das nur, weil Irena in das Steuerrad gegriffen hatte und es herumriß. »Anhalten!« rief sie dabei. Ihre langen blonden Haare wehten über Pilnys Gesicht. So weich und seidig sie auch waren, jetzt konnte er sie nicht gebrauchen, sondern schleuderte sie weg. »Sofort anhalten! Sie sind ja wirklich verrückt!«
    Am Straßenrand bekam Pilny den Wagen endlich wieder in seine Gewalt und hielt. Ein paar Leute, die vorbeigingen, tippten sich an die Stirn.
    »Sehen Sie –« sagte Irena böse. »Die haben es auch erkannt. Machen Sie endlich Ihre Blechkiste auf!«
    »Ich möchte Sie nach Hause bringen«, sagte Pilny. Er atmete hastig. Sein Puls raste. Sie waren nur knapp dem Tode oder zumindest einem langen Krankenlager entronnen. Nur ein paar Zentimeter, nicht mal eine Handbreit … und sie hätten sich in den Brotwagen gebohrt wie eine Granate. Aber nicht allein diese Erkenntnis raubte ihm den Atem. Es war auch der Anblick Irenas, deren wilde Schönheit ihn ergriff.
    »Sie? Eher krieche ich auf allen vieren!« Irena ballte die Fäuste.
    Pilny nickte. »Wie Sie wünschen, Irena. Gestatten Sie, daß ich mitkrieche.« Er entriegelte die Tür, sprang auf die Straße rannte um den Wagen herum, öffnete Irenas Tür und kniete sich dann auf den Gehsteig, beugte sich vor und stützte sich mit den Händen auf.
    Irena sah ihn mit verschlossener Miene an. »Kommen Sie rein«, sagte sie endlich. »Die Leute rufen gleich den Krankenwagen! In Gottes Namen, – fahren Sie mich nach Hause. Ich wohne in Mala Strana, Na Kampe 3.«
    »Malerischer geht's nicht … am Rande des Prager Venedig.«
    Irena lehnte sich zurück und gab keine Antwort mehr. Wenn er glaubt, ich falle auf seine Reden herein, dann irrt er sich, dachte sie. Ich mag Männer nicht, die vierhundert Worte sprechen, wo fünf genügten. Sie wandte in deutlicher Abwehr ihr Gesicht von ihm ab und musterte die Häuser, die Geschäfte, die Menschen, an denen sie, nun manierlich langsam, entlangfuhren.
    Auf einmal war ihr die Ruhe auch nicht recht. Sie wußte keine Erklärung dafür, aber die Schweigsamkeit zerrte an ihren Nerven. Sie kamen an die Palacky-Brücke, fuhren über die Moldau, blickten hinüber zu den drei Inseln und dem Wasserturm, zu dem Terrassenrestaurant und dem schloßähnlichen Gebäude im Neurenaissancestil, in dem einst Liszt, Berlioz und Richard Wagner ihre Konzerte gegeben hatten, und erreichten die Na Kampe schneller, als sie es gewünscht hatten. Vor dem Hause Nr. 3 bremste Pilny und seufzte laut auf.
    »Erreicht!« sagte er. »Jetzt müßte ich den Verdienstorden I. Klasse bekommen!«
    Irena
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher