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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer
Autoren: Helmut Vorndran
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diese Gebäudeteile verfrachtete man nun tagsüber die Insassen des
Seniorenheims. Allerdings musste man damit leben, dass plötzlich in der
Chirurgie ein verwirrt blickender, älterer Herr mit Stock auftauchte und dem
genervten Anästhesisten im heikelsten Moment der Operation ein Gespräch über
die Beetbepflanzung im Eingangsbereich des Klostergartens aufs Ohr drücken
wollte.
    Da half dann nur eine
höfliche OP -Schwester oder auch
mal sanfte Gewalt, wenn der entrüstete Stockbesitzer ob der verfehlten
Gestaltung der Klinikflora anfing, handgreiflich zu werden. Und das konnte eine
ziemlich heftige Angelegenheit werden. Die Senioren von St. Getreu waren für
ihr Alter überraschend fit und rabiat unterwegs.
    Doch jetzt war alles ruhig,
und sogar aus dem Seniorentrakt war kein Laut zu hören. Teilweise waren hier
jetzt, in der etwas kühleren Nacht, die Fenster geöffnet worden, um die
Klimaanlage etwas zu entlasten. Das Klinikum St. Getreu schlief seinen
erschöpften Schlaf.
    Vor einem gekippten Fenster
im ersten Stock des Altbaus stand ein Mann. Schwarz gekleidet, mit grauem,
akkurat geschnittenem Vollbart und einem kleinen, ebenfalls schwarzen Rucksack
auf dem Rücken. Er sah an der Fassade des Klinikums entlang und betrachtete
ruhig und genau die einzelnen Stockwerke. Dann drehte er sich um, und sein
Blick wanderte noch einmal durch den Garten des Innenhofs, bis er wieder auf
dem Fenster vor ihm ruhte. Dass der Mann die mühsam, erst nach Verhandlungen
mit den Seniorenheimbewohnern bewilligten, gepflanzten Astern zertreten hatte,
störte ihn nicht im Geringsten. Er hatte genug gesehen. Alles war, wie es sein
sollte. Kein Grund, noch länger zu warten.
    Aus der Beintasche seines
schwarzen Overalls zog er einen Schraubendreher mit kurzem, gummiertem Schaft
hervor. Er brauchte nur wenige Sekunden, um das Fenster aus der gekippten
Stellung zu hebeln und komplett aus dem Rahmen zu entfernen, dann legte er es
flach auf den Rasen der Gartenanlage und schaute sich noch einmal um. Alles
blieb ruhig. Die Alarmanlage der Klinik war an den geöffneten Fenstern sowieso ausgeschaltet,
daher war es nicht einmal nötig gewesen, sie zu deaktivieren.
    Ohne sich mit weiteren
Gedanken aufzuhalten, trat er dicht an das Gebäude heran, griff mit beiden
Händen in den nun fensterlosen Rahmen, zog sich hoch und stieg leise ins
Innere. Der Gang, in dem er sich nun befand, war stockdunkel, aber er brauchte
kein Licht. Die Aufteilung des Stockwerkes hatte sich in seine Gehirnwindungen
eingebrannt, sodass er nun zielsicher auf eine ganz bestimmte Abteilung
zusteuerte. Es war immer noch nichts und niemand zu hören, jedoch konnte er das
erschöpfte Atmen der Senioren in ihren Betten regelrecht fühlen.
    Als er an einer speziell mit
einem elektronischen Nummernschloss gesicherten Tür angelangt war, hielt er
inne. Routiniert und ohne nachzudenken, tippte er die sechsstellige Geheimzahl
ein, und die Sicherheitstür aus Spezialglas öffnete sich bereitwillig mit einem
leisen Klacken. Schnell schlüpfte er hindurch und schloss die Tür wieder leise.
    Vor ihm lag ein Gang mit
fünf Zimmern, u-förmig angeordnet und mit einem verglasten Rondell an der
rechten Eingangsseite, in dem normalerweise die Nachtschwester der
Sonderabteilung ihren Dienst zu schieben pflegte. Vorsichtig schlich er an der
Wand entlang und spähte um die Ecke. Dann richtete er sich auf und ging, ohne
dem Rondell weitere Beachtung zu schenken, an selbigem vorbei. Die
Nachtschwester, die schlafend vor dem Computerbildschirm auf ihrem Schreibtisch
zusammengesunken war, würdigte er mit keinem Blick. Alles war so, wie man es
ihm angekündigt hatte.
    Kurz blieb er stehen,
blickte noch einmal in den Gang der kleinen Abteilung, die vor ihm lag, und
holte dann sein Handy heraus. Prüfend überflog er zum letzten Mal den Text der SMS , die er heute bekommen hatte. Dann
schaltete er das Telefon aus, steckte es zurück in die Tasche seines schwarzen
Overalls und begann mit seiner sorgfältig vorbereiteten Arbeit.
    Der unbekannte Bärtige
kniete sich in die Mitte des Ganges, setzte seinen Rucksack ab und öffnete ihn.
Seine dunkel behandschuhten Hände nahmen ein rundes, metallfarbenes Behältnis
heraus, das ungefähr die Größe einer Cola-Dose hatte, aber ungleich schwerer
war. Außerdem war auf dem Kopf der Cola-Dose ein kompliziert aussehender
Mechanismus angebracht, der von dem Fremden mit äußerster Vorsicht behandelt wurde.
Dann ging der Mann zur Tür mit der Nummer 1 und
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