Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Blutfeuer

Titel: Blutfeuer
Autoren: Helmut Vorndran
Vom Netzwerk:
grauem
Himmel und schlecht gelaunten Mitmenschen. Nichts wie weg hier, war die
allgemeine und bei Andreas Voll die besondere Stimmungslage gewesen. Er bog
gerade um die Ecke des Hotels, um sich zu seinen startbereiten Freunden zu
gesellen.
    Er hatte etwas länger im Bad
vor dem Spiegel gestanden, um sein malträtiertes Gesicht zu pflegen.
Offensichtlich ohne großen Erfolg. Es war voller ekelhafter Schnakenstiche.
Aber so war das halt bei ihm. Seit frühester Kindheit musste er mit dieser
Anziehungskraft auf Stechmücken leben. Schrecklich. Gegen den Juckreiz halfen
auch keine kosmetischen Maßnahmen, das wusste er. Jetzt musste er sich schon wieder
kratzen.
    »Na, schau an, unner
Streuselkuchen ist a scho da!«, rief Detlev, sein bester Freund aus Hirschaid,
als er ihn erblickte. »Vielleicht solltest a weng Puderzucker draufstreua und a
bissla Sahne auf die Ohrn, damit mer dich besser verkaafen könna?« Detlev
frotzelte weiter, und der Rest der Mannschaft kugelte sich vor Lachen.
    Verdammte Idioten, dachte
Andreas Voll und setzte seinen Helm auf, während er sich weiter im Gesicht
kratzte. Das Jucken war einfach nicht abzustellen. Die werden sich noch wundern,
grollte er im Stillen und hielt die Sonnenbrille gegen das Licht, um durch die
dunklen Gläser eventuellen Schmutz erkennen zu können. Eigentlich eine bloße
Übersprunghandlung in solch einer gesichtstechnisch peinlichen Situation.
Brillen zu putzen täuschte geistige Konzentration vor, sodass man nicht auf
dämliche Bemerkungen antworten musste. Trotzdem wunderte er sich. Hatte er die
orangefarbenen Wechselgläser statt der dunklen in seine Sonnenbrille gesteckt?
Er konnte sich gar nicht erinnern, sie mitgenommen zu haben. Er öffnete das
rechte Auge, das er zum besseren Sehen im Gegenlicht zusammengekniffen hatte,
und blickte sich um. Alles war plötzlich in ein grelles orangefarbenes Licht
getaucht. Auch ohne Brille.
    »He, Andi«, meinte sein
Kumpel Detlev besorgt, »was issn los mit deina Augn? Bist du krank, oder was?
Du glotzt ja wie a Maikäfer?«
    Andreas schaute seinen
Freund verwundert an, dann wieder die Umgebung. Alles war knallorange und wurde
immer farbintensiver. Dann spürte er eine grenzenlose Übelkeit in sich
aufsteigen. Kälte überkam ihn, der Helm fiel aus seinen starr gewordenen
Fingern, und es wurde ihm schwarz vor den Augen.
    Seine Freunde mussten
hilflos zusehen, wie Andreas Voll auf der Straße, die vor ihrem Hotel in
Alcudia vorbeiführte, vor Schmerzen stöhnend zusammenbrach und sein Körper von
wilden Krämpfen geschüttelt fast zehn Sekunden lang zuckte. Dann blieb er in
gekrümmter Haltung auf der Seite mit abgewandtem Gesicht liegen.
    Detlev eilte sofort zu ihm
und rüttelte ihn an der Schulter. »Hei, Andi, was is los? So scheiße war der
Kaffee heud früh doch gar ned …« Er drehte seinen Freund zu sich herum, und ein
eiskalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter.
    Andreas Voll starrte ihn aus
leblosen, aufgeplatzten Augäpfeln an. Aus den leeren Höhlen floss kein Blut,
sondern ein dünner Faden orangeroter Flüssigkeit, die sich der Schwerkraft
folgend bereits über die ganze linke Gesichtshälfte verteilt hatte. Das Gesicht
war zu einer Fratze erstarrt, der Körper so steif, als habe man ihn in einer norwegischen
Fischfabrik schockgefrostet.
    Detlev Jucht sprang entsetzt
auf. Ohne den Blick vom Gesicht seines langjährigen Freundes lassen zu können,
rief er laut: »Geht nei zur Rezeption! Ruft die Sanis und die Polizei!«
    Dann schaffte er es endlich,
seinen Kopf zu den anderen zu wenden, die wie versteinert dastanden und
fassungslos auf die bizarre Szene blickten, die sich ihnen bot.
    »Verdammt noch amal,
schnell!«, rief Detlev Jucht verzweifelt. Erst jetzt setzten sich alle in
Bewegung und rannten zum Hoteleingang.
    Doch Detlev, der sich neben
den verkrümmt daliegenden Andreas Voll auf den warmen Teer setzte, ahnte
bereits, dass jedes Leben aus dem Körper seines Freundes gewichen war.
    *
    Riemenschneider trottete mit dem Stoffteil im Maul zu ihrem
Ausgangspunkt zurück. Mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck legte sie es auf
den großen Stapel und leckte sich anschließend erst mal lange und ausgiebig
über die Lippen, um den unangenehmen Geschmack zu beseitigen. Dann setzte sie
sich auf ihren rosa Hosenboden und blickte zufrieden und gespannt zu den beiden
Männern, die vor ihr auf zwei Stühlen hockten. Erwartungsvoll sah sie von einem
zum anderen. Bis jetzt war alles kinderleicht gewesen. Wann kamen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher