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Bluteis: Thriller (German Edition)

Bluteis: Thriller (German Edition)

Titel: Bluteis: Thriller (German Edition)
Autoren: Marc Ritter
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von ihnen hatten hohe Wetten laufen, denn die Mehrzahl der Fahrer gehörte zu ihnen, zu den sehr Reichen und den unendlich Reichen, zu den Mächtigen und den unglaublich Mächtigen dieser Welt. Im Super-VIP-Zelt hielt sich an diesem dritten und letzten Rennwochenende ein Großteil derer auf, für die die Welt geschaffen wurde und die über sie bestimmten. Die Verankerung des Zeltes war in die sechzig Zentimeter starke Eisschicht gebohrt worden. So wie alle auf Englisch und Russisch ausgezeichneten VIP- und Cateringzelte, die Zelte, die die Stallungen beherbergten, die Toilettenzelte und die Kinderverwahrstation des japanischen Spielekonsolenherstellers.
    Plötzlich passierte es doch. Dreamstar strauchelte. Das durfte nicht sein. Flurin Da Silva riss an den Leinen. Doch er parierte damit nicht sein Pferd durch. Im Gegenteil, Dreamstar brach regelrecht in den Schnee ein. In den Sekundenbruchteilen, bis Dreamstar zu Boden ging, dachte Flurin Da Silva nach, was das Pferd zum Sturz gebracht haben könnte. Die Gedanken wischten nur so durch seinen Kopf. Ein Loch im Schnee? Ein Gegenstand, von einem Zuschauer auf die Bahn geworfen? Seine Gedanken brachen ab. Denn er spürte, wie der Schnee unter ihm weicher wurde. Wie er in die hart gefrorene Schicht mit beiden Ski versank. Sein Gehirn verarbeitete diese Information zunächst nicht. Denn es war vollkommen ausgeschlossen, dass das Eis brach. Darum kam er überhaupt nicht auf die Idee, dass genau das gerade unter ihm passierte. Erst dann registrierte er, dass zwei Meter neben ihm eine kleine Fontäne aus dem Eis nach oben spritzte. Und zwei Meter weiter die nächste. Und auch vor Dreamstar spritzten Eisbröckchen und Wasser nach oben. Überall diese kleinen Fontänen. Er sah sich in der gleichen Sekunde um. Auf dem ganzen See stob das Eis auf, wie er mit einem Blick erfasste. Er sah auch, dass die Pferde hinter ihm wie Dreamstar gestrauchelt waren. Nein, falsch, er sah, dass alle Pferde ins Eis einbrachen. Dann spürte er die Kälte. Ja, es war tatsächlich wahr, er fiel ins Wasser. Das Eis war weg. Die Ski verhinderten, dass er sich mit einem Sprung auf eine Eisscholle in Sicherheit bringen konnte. Und die Schollen waren auch viel zu klein. Gerade als er das vergegenwärtigte, zog ihn das Geschirr, dessen Griff er immer noch mit zehn Fingern umklammerte, nach unten.
    Er blickte mit weit aufgerissenen Augen nach vorn auf sein Pferd. Dreamstar versank im Eiswasser, doch sein Gehirn war immer noch nicht fähig, einen logischen Schluss daraus zu ziehen. Es gab den Händen nicht den Befehl, den Griff zu lösen. Die Leinen fest umklammernd sank er bis auf vier, fünf Meter Tiefe seinem Pferd hinterher, als dieses nach unten sank, gelähmt durch die Kälte des Wassers. Erst da verstand er, dass er loslassen und nach oben schwimmen musste. Dort oben war es hell. Dort musste er hin. Nach oben. Dort war Luft. Er musste schwimmen. Strampeln, sich nach oben kämpfen.
    Er kämpfte um sein Leben. Das eiskalte Wasser machte jede Bewegung zur Tortur. Doch er würde es schaffen. Er musste es schaffen. Er war der König vom Engadin. Doch das war er oben, auf dem Eis. Nicht hier. Nicht unter Wasser. Er hatte immer noch die Ski an den Füßen, die Skibekleidung war mit Wasser vollgesogen und gab ihm das Gewicht einer Schweizer Pendeluhr. Langsam, aber unaufhaltsam wurde er nach unten auf den Grund des Sees gezogen.
    Dreißig Jahre zuvor –
Sonntag, 24. August, 17 Uhr
Central Province, Ghana
In der Nähe des Dorfes Awisam
    Kisi liegt unter der dichten Krone des alten Karitébaums und tut, was sie in ihren freien Stunden am liebsten tut: Sie sieht den Nüssen beim Wachsen zu. Das zumindest wird ihr Großvater wieder sagen, wenn sie ins Dorf zurückkehren wird. Wie immer wird sie nur zurücklachen und sagen: »Ja, Ebo, von dir habe ich gelernt, was wir von den Bäumen lernen können: Geduld.« Und dann wird Ebo stolz sein auf seine Enkelin, denn ein so kluges vierzehnjähriges Mädchen hat es noch nie in Awisam gegeben. Als Chief des Dorfes gehört es zu seinem Job, klug zu sein, manchmal weise, und er ist froh, dass er in Kisi eine würdige Nachfolgerin haben wird. Ihm ist dann für einen Moment weniger bang um die Zukunft seiner Heimat. In seinen Träumen hat er schlimme Vorahnungen. Sie fingen an dem Tag vor zwölf Jahren an, als sein Sohn Ekwo aufgebrochen war, um sein Glück in der Hauptstadt zu versuchen. Er kam nie zurück. In der Nacht zuvor war Kisis Mutter Akua gestorben. Niemand
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