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Blut und Silber

Blut und Silber

Titel: Blut und Silber
Autoren: Sabine Ebert
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werden.«
    Was ihm aber nicht viel genützt hatte, denn auch sein Besitz war rücksichtslos geplündert worden.
    »Eine Gauklerin, eine unehrlich Geborene!« Hartmann stöhnte auf. »Und dafür solch ein Aufruhr mitten in der Nacht?«
    »Mir ist es gleichgültig, ob sie eine Gauklerin ist oder die Königin von Saba, wenn sie uns Auskunft geben kann, wo das Heer des Nassauers steht«, wies Herrmann ihn unwirsch zurecht und richtete seinen Blick auffordernd auf Sibylla.
    »Sie müssen jetzt keine zehn Meilen von hier Richtung Chemnitz sein. Morgen sind sie hier«, sagte sie.
    Herrmann ließ sich berichten, was Sibylla noch wusste.
    »Es tut mir leid, aber bevor du dich ausruhen kannst, musst du mit mir auf die Burg, zum Kommandanten. Kannst du aufstehen?«
    »Darüber entscheide ich«, hörten sie hinter sich eine knurrige Stimme. Sie fuhren herum, um finster von Conrad Marsilius angestarrt zu werden, den niemand von seinem Krankenbesuch hatte zurückkehren hören. Der Tasselmantel und der Bart des Arztes waren voller Schnee, sein graues Haar vom Sturm zerzaust. »Und dreht euch gefälligst weg, während ich sie untersuche!«
    Die Wachen gehorchten.
    Bedächtig ging der Stadtphysicus auf Sibylla zu, griff beruhigend nach ihren Händen, musterte sie mit unbewegter Miene, dann schlug er den Umhang auseinander und sah, womit er gerechnet hatte.
    Nachdem er sie mit sanften Händen untersucht hatte, zog er ein Wachstäfelchen aus seiner Pilgertasche, ritzte mit einem dünnen Stab etwas hinein und gab es Jan.
    »Das soll der Apotheker für sie zubereiten.«
    Dem Ratsherrn und Arzt war klar, dass diese Patientin ihn nicht bezahlen konnte. Aber niemand würde ihm nachsagen können, er helfe ihr nur aus Mitleid, einer durch und durch weiblichen und somit schwächenden Eigenschaft. Die Apothekenverordnung, die der letzte Stauferkaiser, der Großvater des Meißner Markgrafen, erlassen hatte, schrieb vor, die Armen unentgeltlich zu behandeln. Und wenn sie so wichtige Informationen für den Burgkommandanten hatte, dann sollte der sich darum kümmern, dass der Apotheker bezahlt wurde.
    Jan steckte das Wachstäfelchen ein, half der Geschundenen, die bei seiner Berührung zurückzuckte, vorsichtig auf und überließ ihr seinen Umhang. Sie hatten keine Zeit, ein Kleid zu besorgen.
     
    Ulrich von Maltitz war trotz der späten Stunde noch nicht zu Bett gegangen. Er hatte aus alter Gewohnheit Rüstkammer und Proviantlager der Freiberger Burg Freiheitsstein überprüft, darauf geachtet, dass die Burgbesatzung beim Bier nicht über die Stränge schlug, die Wehrgänge abgeschritten und mit den Männern dieses oder jene Wort gewechselt, um sich von ihrer Kampfbereitschaft zu überzeugen.
    Den Burgvogt hatte er bei seiner Ankunft auf dem Sterbelager vorgefunden. Nicht einmal Aderlässe konnten dessen Fieber senken, so dass Ulrich sofort das alleinige Kommando übernehmen musste. Am nächsten Morgen konnte er nur noch der trauernden Witwe und ihren Söhnen, zwei jungen Rittern, sein Beileid aussprechen.
    Doch er hatte eine gute Mannschaft auf Freiheitsstein vorgefunden: fünf Dutzend Ritter, die teils auf der Burg, teils mit ihren Familien im vorgelagerten Stadtviertel wohnten, dem Burglehn, und noch einmal so viele Wachen unter dem Kommando eines überraschend jungen, aber tüchtigen Hauptmanns namens Markus.
    Nun herrschte Stille innerhalb der Mauern, die gelegentlich vom Wiehern eines Pferdes oder Kläffen eines Hundes unterbrochen wurde. Nur wenn man genau hinhörte, war dann und wann ein leises Geräusch zu hören, wenn die Wachen einander trafen und ein paar Worte miteinander wechselten.
    Ulrich hielt es nicht auf seinem Platz. Mit dem Becher in der Hand ging er zur Fensterluke und starrte hinaus in die Dunkelheit.
    Wo blieb nur Niklas von Haubitz mit seinen Truppen?
    Und warum war seit Tagen nicht einer ihrer Kundschafter zurückgekehrt? Sie konnten doch nicht alle dem Gegner in die Hände gefallen sein. Nicht einmal ein paar Bauern, die vor dem feindlichen Heer geflohen waren, brachten Nachricht.
    War keiner von ihnen durch den Schnee gekommen? Hatten die Männer des Königs niemanden am Leben gelassen?
    Oder war am Ende gar kein Heer gen Freiberg in Marsch? Es gab nicht wenige in der Stadt, die das glaubten oder zumindest hofften. Ulrich gehörte nicht dazu. Diesem König konnte und wollte er nicht trauen. Mochten dessen Anhänger ihn auch als gewandt, liebenswürdig und tapfer bezeichnen  – in seinen Augen verkörperte Adolf von
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