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Blut und Rüben

Blut und Rüben

Titel: Blut und Rüben
Autoren: Uwe Voehl
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ließen. Aber bitte, Sie können gerne schon mal fahren.«
    Die anderen Polizeibeamten waren inzwischen bedrohlich näher gekommen. Einen davon erkannte ich. Es war der Sohn eines der Bauern in der Nachbarschaft. Toni Rippenstruth.
    Ich nickte ihm freundlich zu. Er dagegen gab noch nicht einmal durch ein Blinzeln zu erkennen, dass er wusste, wer ich war. Vielleicht hatte er es auch in dem Moment vergessen, als er sich für den Polizeidienst entschieden und eine Uniform angezogen hatte.
    Rasch trat ich zu ihm und streckte die Hand aus. Eine Geste, der er eigentlich nicht widerstehen konnte. »Mensch, Toni, schön dich zu sehen.«
    Seine Rechte zuckte, aber er unterdrückte offenbar den Reflex, einzuschlagen. Hinter mir hörte ich, wie Ollie und sein Widersacher sich in einen eifrigen Disput über Diktaturen verloren.
    »Wir wollten sowieso gerade gehen«, erklärte ich. »Was ist denn überhaupt los hier?«
    »Darf ich nicht sagen. Nachrichtensperre«, gab er harsch zurück.
    »Na toll, da möchte ich nicht wissen, was hier los ist, wenn ihr keine Nachrichtensperre verhängt.«
    Ich sprintete zu meinem Volvo, ließ zunächst Luna den Vortritt, stieg dann selbst ein, startete den Motor und winkte Norbert noch einmal zu. Der tat so, als würde er mich nicht sehen. Dann gab ich Gas. Im Rückspiegel vergewisserte ich mich, dass Ollie mir folgte.
    Ansonsten war niemand in Richtung Detmold unterwegs. Dafür wurde der Verkehr in umgekehrter Richtung immer dichter. Diesmal waren die Wochenendausflügler eindeutig in der Minderzahl, während die Einheimischen in Richtung Falkenburg unterwegs waren. Anscheinend hatte es sich inzwischen herumgesprochen, was hier los war.
    Ich schaltete das Radio ein. Die Nachrichten hatten gerade begonnen. Diesmal hielt Steffi Klug den Mund, was den Mord betraf. Offensichtlich hatte sich die Nachrichtensperre inzwischen sogar bis zu ihr herumgesprochen. Braves Mädchen!
    Ich folgte der kurvenreichen Straße Richtung Heiligenkirchen und bog an der L 828 ab.
    Ollie blieb dicht hinter mir. Schließlich drosselte ich die Geschwindigkeit und bog in einen Feldweg ab. Man musste schon sehr genau hinsehen, um die Schrift auf dem verwitterten Hinweisschild entziffern zu können. Burgschenke Rübezahl hatte einst ein Meister seiner Kunst in hölzernen Lettern hineingeschnitzt. Mit dem Riesen aus dem Erzgebirge hatte der Name allerdings nichts gemein. Es handelte sich um ein Wortspiel, da der Rübenanbau in dieser Gegend eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Bei nicht wenigen Rübenbauern hing noch das Geschirrtuch, auf das Mutti die passenden Reime gestickt hatte:
    Eine Rübe ist so schlecht wie keine,
    von zweien ganz zu schweigen,
    drei tanzen dir den Hungerreigen
    bei vieren kommt der Hunger von alleine ...
    Der Pfad war mehr eine Piste voller Schlaglöcher. Ich spürte sie schon kaum mehr. Sogar nachts und ohne Beleuchtung wusste ich die schlimmsten davon vorsichtig zu umschiffen. Mit fast diebischer Freude versuchte ich mir auszumalen, was Ollie soeben in seinem Morgan durchlebte. Soweit ich wusste, pflegte der Hersteller die »traditionelle Bauweise« zu loben. Dies bedeutete, dass sich seit dem Krieg nicht viel verändert hatte. Zumindest nicht, was den Komfort betraf. Irgendwo hatte ich mal etwas von »rustikaler Federung« gelesen. Seit mich ein Kollege, der ebenfalls Morgan-Liebhaber war, einmal auf eine Ausfahrt mitgenommen hatte, wusste ich, was das hieß: Man wurde munter hin und her geworfen und kam sich vor wie in einem dieser Minigefährte in der Geisterbahn, die über hölzerne Schienen ruckelten. Wie der Kollege mir später stolz versicherte, folgte die Vorderradaufhängung immer noch der gleichen Konstruktion, wie sie sich bereits seit 1908 bei den Morgan-Dreirädern bewährt hatte.
    Ollie schien zwar hart im Nehmen, aber sein Morgan nicht. Er blieb sichtlich zurück. Das passte mir ganz gut; umso weniger musste ich nachher irgendwelche Erklärungen abgeben. Ich hatte sowieso keine Lust, bei der großen Familienzusammenführung dabei zu sein. Verfahren konnte sich mein Schützling jedenfalls nicht mehr. Der Weg führte direkt zum Ziel.
    Ich erreichte den Hof lange vor ihm, stellte den Wagen ab und ließ Luna an die frische Luft. Jetzt musste ich nur noch an Duffy und der Gräfin vorbei ...
    Doch ich hatte mir zu früh Hoffnungen gemacht. Kaum hatte ich den Wagen abgeschlossen, kam die Gräfin auch schon mit hoch erhobenen Armen herausgestürzt.
    »Moritz, haben Sie das gehört? Es ist
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