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Blut und Harz

Blut und Harz

Titel: Blut und Harz
Autoren: Timo Leibig
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Beiersdorf fast angebissen hat. Es musste schnell gehen. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Problem heute noch lösen können.«
    Erik fuhr sich nachdenklich über das glatt rasierte Kinn und kratzte sich kurz am Hals. Noch eine Verhandlung heute. Er seufzte innerlich. Eigentlich hatte er endlich Feierabend machen wollen, doch daraus wurde wieder nichts. Er blickte kurz auf seine dunkelblaue Junghans Uhr. Kurz nach sechs. Dann würde es wieder mindestens halb acht werden. Aber lieber waren die Probleme aus der Welt geschafft, als aufgeschoben. Er setzte einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf und nickte seinem Anwalt zu.
    »Gut, dann hoffe ich, dass wir -«
    Das Surren des Telefons unterbrach ihn.
    Verärgert runzelte Erik die Stirn. Er hatte doch klare Anweisungen gegeben. Er wollte im Meeting nicht gestört werden. Warum zum Teufel konnte man so einfachen Anordnungen nicht nachkommen?
    »Entschuldigen Sie bitte, es muss sich wohl um einen Notfall handeln.«
    Eschle nickte nur mit einem dünnen Lächeln und senkte den Blick auf seine mitgebrachten Unterlagen, während Erik zum blinkenden Funktelefon griff.
    »Frau Schwarz, was gibt es so Dringendes?«
    Die honigsüße Stimme seiner Sekretärin tönte durch die Leitung. »Entschuldigen Sie, aber Ihr Sohn Elias ist am Apparat. Er meinte, es handle sich um einen Notfall.«
    Elias!
    Erik zuckte zusammen. Ein weiterer Blick auf seine Uhr bestätigte seine Befürchtungen.
    Der 27. September.
    Der Geburtstag seines Sohnes.
    Der Todestag seiner Frau.
    Die Erkenntnis strömte unvermittelt auf ihn ein. Er hatte den ganzen Tag gespürt, dass es ein besonderer Tag war.
    »Stellen Sie ihn bitte sofort durch.«
    Die Leitung knackte augenblicklich.
    »Elias! Alles Gute zum Geburtstag! Ich hatte so viel zu -«
    »Spar dir deine Entschuldigungen und danke für die Glückwünsche, Vater. Ich wollte nur fragen, wie lange du noch im Büro bist. Wir sind bereits angekommen und haben das Haus vollkommen verwaist vorgefunden. Ich hatte dir doch per Mail geschrieben, dass wir am frühen Abend eintreffen.«
    Die E-Mail!
    Erik hätte sich in diesem Moment am liebsten selbst geohrfeigt. Elias hatte angekündigt, ein paar Tage zu Besuch zu kommen und ihm seine neue Freundin vorzustellen. Wie war ihr Name noch gleich? Erik grübelte, doch der Name wollte ihm nicht einfallen. Er hatte nicht nur ihn, sondern einfach alles vergessen. Geplant war gewesen, schick essen zu gehen und Elias Geburtstag zu feiern. Was für ein Scheiß!
    »Ich weiß, ich weiß! Ich habe jetzt aber noch ein unerwartetes Meeting wegen des neuen Waldhotels. Das kann ich nicht absagen. Ich werde unverzüglich danach nach Hause kommen, ich denke gegen halb 8. Am besten ich bringe auf dem Heimweg etwas vom Italiener mit. Was möchtet -«
    Elias seufzte am anderen Ende hörbar ins Telefon. »Mach dir keinen Stress Vater. Ich bestelle auf halb 8 was und lass es liefern. Für dich wie immer, denke ich. In der Zwischenzeit werde ich Natalja das Haus und die Zimmer zeigen. Wir werden uns etwas einrichten und die Betten beziehen. Dann bis nachher.«
    Noch bevor Erik etwas erwidern konnte, verstummte die Leitung. Mist. Wieder einmal hatte er es verbockt. Es war ja nicht das erste Mal, dass er den Geburtstag seines Sohnes vergessen hatte. Erik brummte leise und nahm in diesem Moment wieder Anwalt Eschle wahr, der schweigend in seinen Akten blätterte und sich bemühte teilnahmslos zu wirken.
    »Alles klar Elias! Dann bis nachher. Ich freue mich«, sagte Erik in den Hörer. Zumindest würde er sich nicht vor seinem Anwalt bloßstellen. Mit einem Lächeln auf den Lippen legte er auf und kehrte an den Glastisch zurück. »Kinder. Sie wissen sicher wie das ist. Familie und Karriere lässt sich schwer unter einen Hut bringen, aber mit ausreichend Organisation klappt das schon.«
    Eschle blickte auf und nickte zustimmend. Er hatte keine Kinder und keine Ehefrau. Soviel wusste Erik. Eigentlich wusste er alles über seine Angestellten und über die, die er für Projekte engagierte. Von der Schuhgröße bis hin zur bevorzugten Unterwäschemarke. Er überließ nichts dem Zufall und er wollte gegen alle Eventualitäten gewappnet sein.
    Leise klopfte es in diesem Moment an der Bürotür und Frau Schwarz schob sich vorsichtig zur Hälfte herein. Ihre gewählte Kleidung und ihr gesamtes Auftreten waren ein Werbefeuerwerk für ihre eigene sexuelle Ausstrahlung. Ihr blondes, langes Haar fiel in leichten, faustgroßen Wellen auf ihren dunkelblauen
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