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Blut Schatten

Titel: Blut Schatten
Autoren: Rebecca Abrantes
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nicht sicher, ob ich mich auf das Zusammentreffen mit meinem Bruder freuen oder es fürchten sollte. Dad zumindest schien nichts eiliger zu haben, als nach New York zu kommen. Obwohl er vor mir saß und schweigend Darians rasanten Fahrstil über sich ergehen ließ, was an ein Wunder grenzte, ließ der Blick auf seinen Hinterkopf erahnen, unter welcher Spannung er stand. Auch ich kam nicht umhin, meinen aufsteigenden Sorgen Beachtung zu schenken.
    Es lag erst wenige Monate zurück, dass wir meine Schwester Julie durch einen Vampir verloren hatten. Er hatte sie verwandelt, und uns war nichts anderes übrig geblieben als das, was aus Julie geworden war, zu vernichten. Später hatte ich erfahren, dass Dads erste Frau auf die gleiche Weise ums Leben gekommen war und er uns vor dieser Wahrheit hatte schützen wollen, indem er vorgab, sie hätte ihn verlassen und wäre irgendwann verstorben. Ich trug ihm diese Lüge nicht nach, denn vermutlich hätte ich ebenso gehandelt. So war es nur die logische Konsequenz, dass wir Julies Ableben verschleierten und mit einem fiktiven Autounfall kaschierten, damit ihre plötzliche Abwesenheit keinerlei weitere Fragen aufwarf. Inzwischen waren die Akten geschlossen worden, da sich natürlich kein Schuldiger hatte finden lassen.
    Dad sprach nicht weiter über Julies Tod, und auch ich mied das Thema. Wir waren stillschweigend übereingekommen, ihn als gegeben hinzunehmen und nicht weiter in dieser Wunde zu stochern, zumal wir ihn nicht hatten verhindern können. Vielleicht wäre es gelungen, wenn ich zu dem Zeitpunkt schon den Wissensstand von heute gehabt hätte. Doch die Zeit ließ sich nicht anhalten oder zurückdrehen. Julie würde nicht zurückkommen. Sie war tot. Und nun hatte ich meinen Bruder gesehen. Er hatte etwas mit diesem unschönen Kapitel unserer Familiengeschichte zu tun. Wenn wir schon nicht die Toten zurückholen konnten, dann sollten wir zumindest die Lebenden schützen.
    Mein Blick blieb an Darians Hinterkopf hängen. Noch immer war er mir in vielen Dingen ein Rätsel, obwohl ich inzwischen eine Menge von ihm wusste. Fest stand, dass er sehr alt war, aber wie ein Mittdreißiger wirkte, da er zum Zeitpunkt seiner Verwandlung in diesem Alter gewesen war. Wie alt er tatsächlich war, hatte ich bislang nicht in Erfahrung bringen können. Darian schwieg sich dazu aus. Doch hatte ich erfahren, dass er zur Zeit der Kreuzzüge einigen katholischen Priestern ins Netz gegangen war, die an ihm eine Art Teufelsaustreibung hatten vornehmen wollen, was irgendwie in die Hose gegangen war. Die Austreibung war nur zur Hälfte vollzogen worden, was zwar die lichte Seite seines Ichs zurückbrachte, die dunkle Seite jedoch nicht vernichtete. Soweit ich später herausgefunden hatte, war die »himmlische Fügung« daran nicht ganz unbeteiligt gewesen. Letzten Endes hatten die erwähnten Priester ein sonnenresistentes Wesen der Nacht mit einem Gewissen erschaffen. So ganz und gar nicht das, was sie bezweckt hatten. Diese Erkenntnis hatten sie mit ihrem Leben bezahlt. In dieser Zeit war Darian auf Thalion gestoßen, hatte viel von ihm gelernt und war zu einem Wesen geworden, dessen Vorstellungen von Moral und Anstand viel strikter waren als die der meisten Menschen. Dennoch besaß er weiterhin alle Fähigkeiten eines Vampirs seines Clans sowie jene, die er in all den Jahren seiner Existenz bereits absorbiert hatte. Er trug die Stärken beider Seiten in sich, hatte jedoch keine der Schwächen übernommen. Das ließ ihn einzigartig und gleichzeitig sehr kostbar für die helle als auch die dunkle Seite werden.
    Darian beschützte mich, ließ mir inzwischen jedoch genug Freiraum, auch für mich zu sein. Obwohl ich mir gut vorstellen konnte, dass er sehr wohl ein permanentes Auge auf mich hatte, allein schon der Schwangerschaft wegen. Meine Hand fuhr unwillkürlich über meinen Unterbauch. Hormonelle Schwankungen bewirkten, dass ich oftmals etwas gereizt war. Und auch hier ging der Punkt an Darian. Er ertrug meine Launen mit stoischer Ruhe. Überhaupt schien er sehr selten die Fassung zu verlieren. Eigentlich hatte ich in unserer gemeinsamen Zeit erst einmal erlebt, dass seine Fassade brüchig geworden war. Damals hatte er entdeckt, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Er hatte regelrecht geschockt gewirkt, sich aber schnell wieder gefangen und war zu mir auf Distanz gegangen.
    Verstohlen lächelte ich in mich hinein, als ich mich daran erinnerte, wie und auf welche Weise ich um seine Liebe
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