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Blut & Barolo

Titel: Blut & Barolo
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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Lebens alle Frauen, die ein Auge auf ihn warfen, für zu jung erklärt hatte. Das hatte abgefärbt.
    »Kommst du, Dicker? Wir wollen weiterfahren!«, rief Isabella ihm zu und ging federnden Schrittes zurück zum Wagen. Giacomo folgte ihr und ließ sein Spiegelbild im Wasser. Vielleicht würde er Daisy ja einmal wiedersehen? Dann wäre sie älter – er zwar auch, aber bei ihm machte das ja nichts mehr aus.
    Er kletterte zurück in den klapprigen Fiat Ducato und musste plötzlich wieder an Lardo di Arnad denken, und an Mocetta-Schinken von der Gämse, wie beim letzten Mal, als er in diesem Wagen gelegen hatte. Auf der Fahrt zum Palazzo Stupinigi. Es schien ein ganzes Hundeleben her zu sein.
    Als Isabella an einer Tankstelle hielt, quetschte sich Niccolò zu ihm ins Heck.
    »Alles klar bei dir?«
    »Bekommst du es hin? Fährt sie uns nach Genua?«
    »Ich denke an nichts anderes, Canini auch. Bist du dir denn sicher, dass sie heute ablegen?«
    »Kein Zweifel. Der Spürer wusste es von seinen Tauben. Die Sippe der Pharaonenhunde verlässt nach Hunderten von Jahren den Kontinent.«
    »Ich krieg es hin. Versprochen!«
    »Das weiß ich doch, Kleiner. Du bekommst schließlich alles hin, was du dir in den Kopf setzt.«
    Niccolò zögerte. »Meinst du das ernst?«
    »Schau doch, wer hinterm Steuer sitzt. Ohne deine Sturheit wär sie jetzt noch eingesperrt.«
    Isabella kam zurück und lächelte ihnen zu. »Es geht weiter, Jungs! Und Mädels natürlich! Ich hab mir gerade überlegt, dass wir nicht direkt nach Hause fahren, sondern noch einen Umweg nach Genua machen. Da wollt ich nämlich immer schon mal hin. Und wenn ich irgendwas aus meiner Zeit im Gefängnis gelernt habe, dann dass wir nicht genugStunden haben, um alles zu machen, was wir wollen. Das ist doch wenigstens etwas, oder?«
    Niccolò begann zu wedeln.
    »Sie fährt uns also hin?«, fragte Giacomo.
    »Außerdem ist sie wieder glücklich. Das kann sie gut, glücklich sein. Sie braucht nicht viel dafür.«
    Giacomo verkniff sich die Bemerkung, dass es Niccolò genauso ging. Vielleicht passten sie deshalb so gut zusammen. Der alte Trüffelhund ließ sich vom beruhigenden Brummen des Motors in den Schlaf lullen und wachte erst wieder auf, als der Wagen quietschend im Hafen Genuas zum Halten kam.
    »Beinahe wäre ich am Parkplatz vorbeigefahren! Ein paar Wochen im Knast, und ich hab alles verlernt. So, jetzt aber raus mit euch, ihr faulen Hunde. Große Pötte angucken.«
    Das Meer schien vor Betriebsamkeit zu vibrieren. Der Touristenhafen Duca degli Abruzzi, von dem aus die Passagierschiffe ins Ligurische Meer stachen, war keine Idylle, sondern eine Ansammlung von Schiffsungetümen, höher als die größten Bauten Turins. Der große Leuchtturm Genuas war weit entfernt, er stand bei den modernen Hafenterminals, doch selbst von hier konnte man ihn bewundern. Die drei Hunde bemühten sich, angemessen aufgeregt zu sein, damit Isabella nicht zurückfuhr, bevor sie ihr Ziel erreicht hatten. Sie schnupperten an jedem achtlos weggeworfenen Stück Müll, jagten träge Möwen und sogen die salzige Hafenluft in ihre Lungen. Etwas Vergleichbares hatten sie nie zuvor gerochen, genauso wenig wie den durchdringenden Dieseltreibstoff der Schiffsmotoren, das Maschinenöl und die Farbe, welche in den nahen Docks auf die abblätternden Rümpfe gestrichen wurde.
    Als Giacomo die Meute der Wächter witterte, heulte er kurz auf, so wie er es Amadeus versprochen hatte.
    Ein helles, spitzes Ohr erschien in der Luke einesOzeanriesen und der junge Pharaonenhund trat auf die Gangway. Die an ihm vorbeihetzenden Hafenarbeiter schienen sich überhaupt nicht zu wundern, dass solch ein edles Tier aus dem Frachtraum kam, in den sie die Essensvorräte für die Kreuzfahrtgäste brachten.
    »Ihr seid wirklich gekommen!«
    »Was hast du denn gedacht? Alles klar bei euch?«
    »Das Sindone ist gut verstaut, neben den Nudelsäcken.« Giacomo beobachtete fassungslos die vielen Lebensmittel, welche in den Bauch des Schiffes geschafft wurden. »Wird wohl eine lange Reise.«
    »Ist uns egal. Das Sindone kehrt heim, wir kehren heim. Ein Grabtuch sollte in einem Grab liegen – selbst wenn es leer ist. Der junge Herr hätte sowieso nicht gewollt, dass so viel Brimborium um sein Leichentuch veranstaltet wird. So war er nicht.«
    »Woher weißt du Grünschnabel das denn?«
    »Einer unserer Vorfahren begleitete ihn einst durch das Heilige Land, seine Geschichten erzählen wir uns heute noch. Wir hatten nur irgendwie
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