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Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Titel: Blumfeld, ein älterer Junggeselle
Autoren: Franz Kafka
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Während diese, ein fettes, stumpfsinniges, immer
    steif aufrecht gehendes Weib, das Frühstück auf den Tisch stellt
    und die paar Handreichungen macht, die nötig sind, steht Blum-
    feld unbeweglich im Schlafrock bei seinem Bett, um die Bälle
    unten festzuhalten. Er folgt der Bedienerin mit den Blicken, um
    festzustellen, ob sie etwas merkt. Bei ihrer Schwerhörigkeit ist
    das sehr unwahrscheinlich und Blumfeld schreibt es seiner durch
    den schlechten Schlaf erzeugten Überreiztheit zu, wenn er zu
    sehen glaubt, daß die Bedienerin doch hie und da stockt, sich
    an irgendeinem Möbel festhält und mit hochgezogenen Brauen
    horcht. Er wäre glücklich, wenn er die Bedienerin dazu bringen
    könnte, ihre Arbeit ein wenig zu beschleunigen, aber sie ist fast
    langsamer als sonst. Umständlich belädt sie sich mit Blumfelds
    Kleidern und Stiefeln und zieht damit auf den Gang, lange bleibt
    sie weg, eintönig und ganz vereinzelt klingen die Schläge her-
    über, mit denen sie draußen die Kleider bearbeitet. Und während
    dieser ganzen Zeit muß Blumfeld auf dem Bett ausharren, darf
    sich nicht rühren, wenn er nicht die Bälle hinter sich herziehen
    will, muß den Kaffee, den er so gern möglichst warm trinkt,
    auskühlen lassen und kann nichts anderes tun, als den herab-
    gelassenen Fenstervorhang anstarren, hinter dem der Tag trübe
    herandämmert. Endlich ist die Bedienerin fertig, wünscht einen
    guten Morgen und will schon gehn. Aber ehe sie sich endgültig
    entfernt, bleibt sie noch bei der Tür stehn, bewegt ein wenig die
    Lippen und sieht Blumfeld mit langem Blicke an. Blumfeld will
    sie schon zur Rede stellen, da geht sie schließlich. Am liebsten
    möchte Blumfeld die Tür aufreißen und ihr nachschreien, was
    für ein dummes, altes, stumpfsinniges Weib sie ist. Als er aber
    darüber nachdenkt, was er gegen sie eigentlich einzuwenden hat,
    findet er nur den Widersinn, daß sie zweifellos nichts bemerkt
    hat und sich doch den Anschein geben wollte, als hätte sie etwas
    bemerkt. Wie verwirrt seine Gedanken sind! Und das nur von
    einer schlecht durchschlafenen Nacht! Für den schlechten Schlaf
    findet er eine kleine Erklärung darin, daß er gestern abend von
    seinen Gewohnheiten abgewichen ist, nicht geraucht und nicht
    Schnaps getrunken hat. Wenn ich einmal, und das ist das End-
    ergebnis seines Nachdenkens, nicht rauche und nicht Schnaps
    trinke, schlafe ich schlecht.
    Er wird von jetzt ab mehr auf sein Wohlbefinden achten, und
    beginnt damit, daß er aus seiner Hausapotheke, die über dem
    Nachttischchen hängt, Watte nimmt und zwei Wattekügelchen
    sich in die Ohren stopft. Dann steht er auf und macht einen Pro-
    beschritt. Die Bälle folgen zwar, aber er hört sie fast nicht, noch
    ein Nachschub von Watte macht sie ganz unhörbar. Blumfeld
    führt noch einige Schritte aus, es geht ohne besondere Unan-
    nehmlichkeit. Jeder ist für sich, Blumfeld wie die Bälle, sie sind
    zwar aneinander gebunden, aber sie stören einander nicht. Nur
    als Blumfeld sich einmal rascher umwendet und ein Ball die Ge-
    genbewegung nicht rasch genug machen kann, stößt Blumfeld
    mit dem Knie an ihn. Es ist der einzige Zwischenfall, im übri-
    gen trinkt Blumfeld ruhig den Kaffee, er hat Hunger, als hätte er
    in dieser Nacht nicht geschlafen, sondern einen langen Weg ge-
    macht, wäscht sich mit kaltem, ungemein erfrischendem Wasser
    und kleidet sich an. Bisher hat er die Vorhänge nicht hochgezo-
    gen, sondern ist aus Vorsicht lieber im Halbdunkel geblieben, für
    die Bälle braucht er keine fremden Augen. Aber als er jetzt zum
    Weggehn bereit ist, muß er die Bälle für den Fall, daß sie es wagen
    sollten — er glaubt es nicht — ihm auch auf die Gasse zu folgen,
    irgendwie versorgen. Er hat dafür einen guten Einfall, er öffnet
    den großen Kleiderkasten und stellt sich mit dem Rücken gegen
    ihn. Als hätten die Bälle eine Ahnung dessen, was beabsichtigt
    wird, hüten sie sich vor dem Inneren des Kastens, jedes Plätz-
    chen, das zwischen Blumfeld und dem Kasten bleibt, nützen sie
    aus, springen, wenn es nicht anders geht, für einen Augenblick
    in den Kasten, flüchten sich aber vor dem Dunkel gleich wieder
    hinaus, über die Kante weiter in den Kasten sind sie gar nicht
    zu bringen, lieber verletzen sie ihre Pflicht und halten sich fast
    zur Seite Blumfelds. Aber ihre kleinen Listen sollen ihnen nichts
    helfen, denn jetzt steigt Blumfeld selbst rücklings in den Kasten
    und nun müssen sie allerdings folgen. Damit
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