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Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Blumfeld, ein älterer Junggeselle

Titel: Blumfeld, ein älterer Junggeselle
Autoren: Franz Kafka
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haben, ein Tier, um das er sich
    nicht viel kümmern muß, dem ein gelegentlicher Fußtritt nicht
    schadet, das im Notfall auch auf der Gasse übernachten kann,
    das aber, wenn es Blumfeld danach verlangt, gleich mit Bellen,
    Springen, Händelecken zur Verfügung steht. Etwas derartiges
    will Blumfeld, da er es aber, wie er einsieht, ohne allzugroße
    Nachteile nicht haben kann, so verzichtet er darauf, kommt aber
    seiner gründlichen Natur entsprechend von Zeit zu Zeit, zum
    Beispiel an diesem Abend, wieder auf die gleichen Gedanken
    zurück.
    Als er oben vor seiner Zimmertür den Schlüssel aus der Ta-
    sche holt, fällt ihm ein Geräusch auf, das aus seinem Zimmer
    kommt. Ein eigentümliches klapperndes Geräusch, sehr lebhaft,
    aber sehr regelmäßig. Da Blumfeld gerade an Hunde gedacht hat,
    erinnert es ihn an das Geräusch, das Pfoten hervorbringen, wenn
    sie abwechselnd auf den Boden schlagen. Aber Pfoten klappern
    nicht, es sind nicht Pfoten. Er schließt eilig die Tür auf und dreht
    das elektrische Licht auf. Auf diesen Anblick war er nicht vorbe-
    reitet. Das ist ja Zauberei, zwei kleine, weiße blaugestreifte Zel-
    luloidbälle springen auf dem Parkett nebeneinander auf und ab,
    schlägt der eine auf den Boden, ist der andere in der Höhe, und
    unermüdlich führen sie ihr Spiel aus. Einmal im Gymnasium hat
    Blumfeld bei einem bekannten elektrischen Experiment kleine
    Kügelchen ähnlich springen sehn, diese aber sind verhältnismä-
    ßig große Bälle, springen im freien Zimmer und es wird kein
    elektrisches Experiment angestellt. Blumfeld bückt sich zu ihnen
    hinab, um sie genauer anzusehen. Es sind ohne Zweifel gewöhn-
    liche Bälle, sie enthalten wahrscheinlich in ihrem Innern noch ei-
    nige kleinere Bälle und diese erzeugen das klappernde Geräusch.
    Blumfeld greift in die Luft, um festzustellen, ob sie nicht etwa an
    irgendwelchen Fäden hängen, nein, sie bewegen sich ganz selb-
    ständig. Schade, daß Blumfeld nicht ein kleines Kind ist, zwei
    solche Bälle wären für ihn eine freudige Überraschung gewesen,
    während jetzt das Ganze einen mehr unangenehmen Eindruck
    auf ihn macht. Es ist doch nicht ganz wertlos, als ein unbeach-
    teter Junggeselle nur im Geheimen zu leben, jetzt hat irgend je-
    mand, gleichgültig wer, dieses Geheimnis gelüftet und ihm diese
    zwei komischen Bälle hereingeschickt.
    Er will einen fassen, aber sie weichen vor ihm zurück und lok-
    ken ihn im Zimmer hinter sich her. Es ist doch zu dumm, denkt
    er, so hinter den Bällen herzulaufen, bleibt stehen und sieht ih-
    nen nach, wie sie, da die Verfolgung aufgegeben scheint, auch
    auf der gleichen Stelle bleiben. Ich werde sie aber doch zu fangen
    suchen, denkt er dann wieder und eilt zu ihnen. Sofort flüch-
    ten sie sich, aber Blumfeld drängt sie mit auseinandergestellten
    Beinen in eine Zimmerecke, und vor dem Koffer, der dort steht,
    gelingt es ihm, einen Ball zu fangen. Es ist ein kühler, kleiner Ball
    und dreht sich in seiner Hand, offenbar begierig zu entschlüp-
    fen. Und auch der andere Ball, als sehe er die Not seines Kame-
    raden, springt höher als früher, und dehnt die Sprünge, bis er
    Blumfelds Hand berührt. Er schlägt gegen die Hand, schlägt in
    immer schnelleren Sprüngen, ändert die Angriffspunkte, springt
    dann, da er gegen die Hand, die den Ball ganz umschließt, nichts
    ausrichten kann, noch höher und will wahrscheinlich Blumfelds
    Gesicht erreichen. Blumfeld könnte auch diesen Ball fangen und
    beide irgendwo einsperren, aber es scheint ihm im Augenblick zu
    entwürdigend, solche Maßnahmen gegen zwei kleine Bälle zu er-
    greifen. Es ist doch auch ein Spaß, zwei solche Bälle zu besitzen,
    auch werden sie bald genug müde werden, unter einen Schrank
    rollen und Ruhe geben. Trotz dieser Überlegung schleudert aber
    Blumfeld in einer Art Zorn den Ball zu Boden, es ist ein Wunder,
    daß hiebei die schwache, fast durchsichtige Zelluloidhülle nicht
    zerbricht. Ohne Übergang nehmen die zwei Bälle ihre frühern
    niedrigen, gegenseitig abgestimmten Sprünge wieder auf.
    Blumfeld entkleidet sich ruhig, ordnet die Kleider im Kasten,
    er pflegt immer genau nachzusehn, ob die Bedienerin alles in
    Ordnung zurückgelassen hat. Ein- oder zweimal schaut er über
    die Schulter weg nach den Bällen, die unverfolgt jetzt sogar ihn
    zu verfolgen scheinen, sie sind ihm nachgerückt und springen
    nun knapp hinter ihm. Blumfeld zieht den Schlafrock an und
    will zu der gegenüberliegenden Wand, um eine der
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