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Blumen fuer Zoë

Blumen fuer Zoë

Titel: Blumen fuer Zoë
Autoren: Antonia Kerr
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die in jedem Fall dableiben würden. Jeden Morgen vor Tagesanbruch drehte ich eine Runde im Schwimmbad, wobei ich mich zwischen schlappen Körpern hindurchschlängeln musste; anschließend brach ich zu der Uhrzeit zu einem Strandspaziergang auf, zu der die Joggerinnen in hautengen Leggings aus ihrem Versteck kommen. Danach kehrte ich zum
Espadon
zurück, wo ich ein wenig las und mir dabei die Füße von der zum Fenster hereinscheinenden Sonne wärmen ließ. Die meiste Zeit verbrachte ich allein, eingeschlossen in meine Zelle, und strich die besten Passagen in meinen Büchern mit Bleistift an. Mein relativ junges Alter gemessen am Durchschnitt des Hauses (siebenundsiebzig Jahre) verlieh mir eine gewisse Aura, und – Emanzipation verpflichtet! – die Frauen machten mir den Hof. Eine vierundachtzigjährige Mitbewohnerin namens Rosa legte mir jeden Tag ein neues Gedicht von Keats auf meine Fußmatte. Rosa verkörperte nicht gerade das, was man sich unter einer Aufreißerin vorstellt, wie man sie heutzutage so oft trifft; sie sprach nie mit mir, selbst dann nicht, wenn sie mir am Rande des Schwimmbeckens in ihrem mintgrünen Bikini über den Weg lief. Sie begnügte sich damit, mich anzulächeln. Abends erkannte ich am Klopfen ihres Stocks auf dem Linoleum, dass sie im Anmarsch war. Sie hinterließ den Vers und kehrte dann in ihr Zimmer eine Etage tiefer zurück. Das ging so bis zu dem Tag, an dem Rosa in den Himmel gerufen wurde. Ich muss zugeben, ich hatte an ihren kleinen Botschaften Gefallen gefunden – man gewöhnt sich schnell daran, geliebt zu werden.
    Jeden Sonntag stattete ich den Jacksons einen Besuch ab, oder besser gesagt Henry, mit dem ich manchmal bis zum Morgengrauen diskutierte. John-John und Marquette kamen sich wieder gefährlich nahe, und obwohl ich ab und an von Marquettes nacktem Körper in meinem Bett im
Espadon
träumte, freute es mich sehr, die beiden erneut im Anfangsstadium ihrer Liebe zu sehen. Tabitha hatte mich inzwischen wie ihren eigenen Sohn angenommen; sie nannte mich nur noch Dickie und lud mich schließlich sogar zum jährlichen Familientreffen der Jacksons ein, zu dem Mitglieder aus allen Ecken und Enden der Welt erwartet wurden. Ich lehnte zunächst ab, da ich so gar nichts Bahamaisch-Kubanisches an mir habe, aber meine Absage verletzte sie derart, dass ich dann doch einwilligte. So kam es, dass ich mich am Tag der Feier in der Nähe des Buffets wiederfand, wie ein Salzkorn inmitten von Pfefferkörnern, die Hände voller Erdnüsse. Und in diesem Moment sah ich Zoë zum ersten Mal.
    Wieder und wieder habe ich versucht, mich für weibliche Schönheit unempfänglich zu machen – ohne Erfolg. Mein Psychiater sagt, ich sei ein schwacher Charakter, und verschiedene andere Dinge über den Ödipuskomplex, weil er ein noch größerer Freudianer ist als ich. Irgendwann sagte ich einmal zu ihm, dass wir angesichts des Dramas, das eine schöne Frau für uns darstellt, alle gleich seien, und ausnahmsweise war er mit mir einer Meinung.
    Zoë war John-Johns Nichte. Sie hatte etwas von einem Küken, das noch nicht geschlüpft ist, eine Schönheit, die sich kontinuierlich entfalten würde, wie die Schleppe des Pfaus. Mit ihren gerade einmal zweiundzwanzig Jahren hatte sie einen feierlichen Ernst im Blick, eine natürliche Autorität, was durch die buschigen Augenbrauen noch unterstrichen wurde, von denen sie sich nicht trennen wollte. Sie hatte eine hellere Haut als der Rest der Familie, und ihr Gesicht war umrahmt von langen schwarzen Haaren, die erstaunlich glatt waren für ein Mädchen ihres Typs – die Haare einer Japanerin, war mir durch den Kopf geschossen. Sie streichelte eine Katze auf der Mauer, sie hatte mich nicht gesehen, sie sah niemanden. Ihrer Schönheit und der Blicke, die die Männer ihr zuwarfen, schien sie sich nicht bewusst. Ich blieb eine Weile stehen, um sie anzuschauen, dann ging ich auf die Veranda, wo Leroy mit einem Fernglas, das größer war als sein Kopf, den Himmel inspizierte.
    Â»Was machst du da?«, fragte ich ihn.
    Â»Ich halte Wache; ich will sicher sein, dass meiner Familie nichts passiert. Im Moment sind da ja bloß Möwen, aber man weiß nie, Terroristen sind einfach unberechenbar.«
    Er betrachtete die über unseren Köpfen kreisenden Vögel und fragte dann nachdenklich, ob Tauben Moslems sein könnten. Ich erklärte
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