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Blumen fuer Polt

Blumen fuer Polt

Titel: Blumen fuer Polt
Autoren: Alfred Komarek
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kräftig ins Gesicht schnalzte, „die schlängeln sich
nämlich lautlos durch dichtestes Unterholz. Steht wenigstens so in den
Büchern.“
    „Das gilt aber nur für die ganz schlanken Indianer.“
Karin Walter wollte hämisch kichern und erinnerte sich gerade noch
rechtzeitig daran, daß sie mit diesem Simon Polt eigentlich nicht scherzen
wollte.
    Einer der Buben war schon ziemlich weit voraus.
Plötzlich rief er aufgeregt, und Polt sah ihn winken. Wenig später betrat er
neben Karin eine kleine Lichtung, in der drei bescheidene Preßhäuser
beieinanderstanden, als hielten sie ein konspiratives Treffen im Walde ab. Eine
der Preßhaustüren war einen Spalt geöffnet.
    Die Tür ließ sich bewegen, Polt trat ein und blieb
verblüfft stehen. „Karin, das mußt du gesehen haben!“ An der Decke des
Preßhauses hing ein Luster aus geschliffenem Glas, darunter schmückte ein
gußeisernes Grabkreuz die Wand, flankiert von zwei großen Bildern. Das eine
zeigte Kaiser Franz Joseph, das andere eine spärlich bekleidete Tänzerin. Neben
einem eisernen Bett stand ein Kühlschrank, obwohl Polt nirgendwo eine Steckdose
erblicken konnte.
    Rasch ging der Gendarm auf die Kellertür zu, öffnete
sie, ging ein paar Stufen hinunter und kam langsam zurück. „Wieder nichts. Der
Keller ist halb eingefallen, und Wasser ist auch unten.“ Er warf einen Blick
auf die kleine Weinpresse und sah einen eingeschnitzten Namen. „Na ja, jetzt
ist alles klar. Das ist das Preßhaus vom Ignaz Reiter. Vor gut zwei Monaten ist
der alte Sonderling gestorben, 96 Jahre alt. Wir werden die Tür versperren,
sonst trägt ihm noch jemand seine Schätze weg.“
    Müde und ratlos saß die kleine Gruppe dann im Gras
vor Ignaz Reiters Preßhaus. Karin Walter wickelte einen Halm um ihren
Zeigefinger. „Und wenn wir noch weiter geradeaus gehen, Simon?“
    „Da kommt nichts mehr. Ich weiß jetzt, wo wir sind.
Hinter den Bäumen ist nur noch offenes Land, bis zur Grenze hin.“
    „Aber die Kellergasse soll ja früher länger gewesen
sein, erzählen die Alten.“
    „Davon habe ich auch gehört. Doch die Preßhäuser
sind weggeräumt worden und die Keller vermauert - dann ist nämlich keiner mehr
dafür verantwortlich, wenn einmal etwas einstürzt, weißt du?“
    „Komische Vorstellung.“ Die Lehrerin schaute in die
Runde ihrer Schulkinder. „Unter uns ist die Erde durchlöchert wie ein
Emmentaler.“
    „Frau Lehrerin!“ Polt hatte vorhin gar nicht
bemerkt, daß auch der Peter Schachinger in der Gruppe war.
    „Ja, Peter?“
    „Diese Holzgestelle da drüben! Was ist das?“
    „Eine Wildfütterung für den Winter. Jäger bauen so etwas.“
    Simon Polt erhob sich und ging ein paar Schritte
näher. Die Futterkrippe stand am Rand der kleinen Lichtung. Dahinter war
irgendwann eine Stufe in den Löß gegraben worden, und oberhalb standen
Rebstöcke.
    „Was suchst du da?“ Polt hörte Karins Stimme.
    „Ich weiß nicht. Aber diese Geländestufe kommt mir
merkwürdig vor. Warum hat man sich die Mühe gemacht? Und da ist auch etwas.
Karin, komm doch einmal her!“
    Hinter dicht wucherndem Gestrüpp waren halb verfaulte
Bretter zu erkennen. „Eine Tür!“ Polt schob aufgeregt die Zweige zur Seite.
„Da, die Bretter sind nur angelehnt!“ Polt warf das morsche Zeug achtlos ins
Gras und leuchtete mit der Taschenlampe nach unten.
    Karin schaute an ihm vorbei. „Es ist zum Weinen.
Alles voller Gerumpel.“ Offensichtlich war der Keller seit Jahren als
heimlicher Müllablagerungsplatz verwendet worden.
    Polt ging zwei Stufen tiefer. „Soviel ist das gar
nicht, Karin, es könnte auch Tarnung sein. Hilfst du mir?“ Ohne eine Antwort
abzuwarten, reichte er eine verrostete Dachrinne nach oben, ein altes Fahrrad
folgte und ein Kinderwagen ohne Räder. Nach einer guten Viertelstunde atmete
Polt auf. „So, fertig.“ Er schaltete die Taschenlampe ab. „Kein Licht unten zu
sehen. Aber die vier können tief hinten im Keller stecken. Kommst du mit,
Karin? Die Kinder bleiben besser oben.“
    Polt zählte 27 Stufen, bis sie endlich in der Tiefe
angelangt waren. Modrig roch es hier, verrostete Faßreifen lagen wirr zwischen
Holztrümmern. Da war aber noch ein Geruch in der Luft. „Petroleum“, flüsterte
Polt. Der Keller war als gerade Röhre in den Löß gegraben worden. Links und
rechts öffneten sich Seitengänge. Der Boden war naß, gefährlich aussehende
Spalten durchzogen die Wölbung über ihren Köpfen, lange, schwarz glänzende
Wurzeln hingen von der Decke.
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