Blümchen, Sex und Peitsche: Roman (German Edition)
Alles blieb an ihr hängen. Alles, alles, alles. Und er hatte sich nicht dafür interessiert, wo sie überhaupt gewesen war. Plötzlich war sie unglaublich froh, dass es diese Leserunde gab. So war sie wenigstens einmal pro Woche mit anderen, neuen Menschen zusammen. Das war doch schon mal was. Auf einmal freute sie sich richtig auf den nächsten Mittwoch und bekam sogar gute Laune, wenigstens für ein paar Minuten
*
Jasmin saß in ihrer Einzimmerwohnung und las Jane Eyre . Was für ein schreckliches Leben das Mädchen durchmachte! Niemand mochte sie.
Ach, ach, ach.
Jane ging es so wie ihr.
Niemand, wirklich niemand mochte sie.
Das stimmte natürlich nicht, aber manchmal fand Jasmin Selbstmitleid einfach herrlich. Und gerade jetzt war so ein Moment.
Also vertiefte sie sich weiter in Janes Schicksal – es würde garantiert noch schlimmer kommen. Bestimmt musste Jane noch viele schlimme Sachen überstehen.
Genau das brauchte sie jetzt – jemandem musste es noch schlechter gehen als ihr.
4
Am nächsten Mittwoch saßen sie pünktlich um 19 Uhr im Gemeinderaum und Elsa verteilte Teetassen. Sie hatte sich wegen der Berti-Aussage wieder halbwegs beruhigt. Aber ein bisschen sauer war sie immer noch auf ihren Mann. Welche 52-jährige Frau hatte denn bitte noch so eine Figur und war voller Phantasie, was das Sexleben betraf? Welcher Mann hatte schon eine Frau, zu der er einfach »Bläst du mir einen?«, sagen konnte, und die das dann auch machte. Gern morgens, für einen guten Start in den Tag.
»Wie war eure Woche?«, fragte Elsa die beiden Frauen, um sich abzulenken.
»Ganz toll«, sagte Imogen. »Mein lieber Kollege Kjell hat nur zehn Mal doofe Ossi-Witze gemacht, über die kein Mensch lachen kann.«
»Kommst du denn aus dem Osten?«, wollte Elsa wissen.
»Aus Chemnitz«, sagte Imogen. »Deswegen macht der Kollege auch immer doofe Witze.«
»Ach«, sagte Elsa. »Imogen ist ja für den Osten ein eher ungewöhnlicher Name. Heißen da sonst nicht alle …«
»Mandy und Chantal.« Imogen verdrehte die Augen. »Einige schon, aber doch nicht alle. Das ist auch so ein blödes Klischee.«
»Warum macht der Kollege das denn?« Das war wieder Jasmin.
Imogen sah sie an. »Keine Ahnung. Weil er’s total lustig findet. Er lacht auch immer über sich selbst.«
»Und wenn du ihm mal so richtig was um die Ohren haust?«
Imogen runzelte die Stirn, auch weil sie sich über Jasmins Ausdrucksweise und ihr Interesse wunderte. »Was denn?«
»Hm«, Jasmin überlegte. »Du musst einfach etwas finden, das ihn angreifbar macht. Hat er Schwächen?«
»Er spitzt Bleistifte bis zum Umfallen, und er behandelt alle Leute, die anrufen und Fragen zu ihren Steuererklärungen haben, als seien sie Volltrottel.«
»Klingt nach einem sympathischen Zeitgenossen«, sagte Elsa. »In der Tat«, war Jasmins Meinung und sie hatte plötzlich rosige Wangen bekommen und ging so richtig aus sich raus. »Aber mit so etwas können wir ihm nicht an den Karren fahren. Du brauchst was, das ihn so richtig verletzt. Etwas Persönliches.«
»Du bist ja ganz aufgeregt«, stellte Elsa fest. »Letzten Mittwoch dachte ich noch, dass du ein ganz verschüchtertes Mäuschen bist. So kann man sich irren.«
»Ich bin in der Schule auch mal total gemobbt worden«, erklärte Jasmin. »Ich hatte eine Brille und eine von diesen grauenhaften Zahnspangen, wisst ihr, so eine mit Gummibändern, die man hinterm Ohr befestigen musste. Ich sah schrecklich aus, ich war total unglücklich, weil meine beste Freundin und ich einen Riesenstreit hatten und das seit Wochen, außerdem war ich so klein und fand mich ganz grauenhaft. Und dieser Florian, so hieß er, hat ständig gesagt, dass eigentlich für mich eine eigene Horrorfilmserie erfunden werden müsste, in der ich dann logischerweise die Hauptrolle spielen könnte. Und dass ich nie einen Mann abkriegen würde, nur einen blinden oder einen perversen. Am Anfang hab ich geheult, auch weil mir keiner geholfen hat, aber irgendwann hab ich gar nichts mehr gesagt.«
»Und dann?«, fragten Imogen und Elsa gleichzeitig.
»Dieser Florian hat in der ganzen Schule rumposaunt, dass er das größte Ding von allen hätte und er hätte es schon mit ganz vielen Mädchen getrieben. Er sagte echt ›getrieben‹. Aber er wollte natürlich nicht sagen, mit welchen, weil die ja dann hätten sagen können, dass das nicht stimmt. Aber alle haben sich gefragt, welche das wohl sein könnten. Ich hab mich irgendwann mit seiner Schwester
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