Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blood Shot

Blood Shot

Titel: Blood Shot
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
zu sein, und flüchtete in meine Wohnung. Der alte Mann hatte die Post ordentlich im Flur aufgehäuft, ein Stapel mit Zeitungen, ein anderer mit Briefen. Schnell ging ich die Briefe durch. Nur Rechnungen und Reklamesendungen. Gereizt warf ich alles in den Papierkorb. Die Zeitungen würde ich irgendwann einmal durchsehen, schon allein, um zu lesen, was sie über die Schießerei bei Xerxes berichteten.
    Meine Wohnung wirkte auf mich wie ein Ort, an dem ich schon lange nicht mehr gewesen war, fremd, als ob sie mir jemand beschrieben, ich sie aber noch nie wirklich gesehen hätte. Rastlos wanderte ich herum, versuchte mich wieder in meiner eigenen Existenz einzurichten. Und versuchte, mich möglichst nicht zu fragen, was Humboldt als nächstes unternehmen würde. Dabei war ich nicht sehr erfolgreich. Um zwei, als es an der Tür läutete, zuckte ich zusammen. Das muß aufhören, ermahnte ich mich. Entschlossen ging ich zur Sprechanlage.
    Blechern tönte Carolines Stimme zu mir herauf. Wenn irgend etwas mein Selbstvertrauen völlig wiederherstellen konnte, dann ein wüster Streit mit Caroline. Ich bereitete mich auf Kampf vor und öffnete die Tür. Ihre Schritte im Treppenhaus klangen anders als sonst. Es war nicht das übliche Gepolter. Als sie um die Ecke bog, sah sie düster aus. Mein Herz zog sich zusammen. Louisa. Die Aufregung war zuviel für sie gewesen, und sie war gestorben.
    »Hallo, Caroline. Komm herein.«
    Sie blieb in der Tür stehen. »Haßt du mich, Vic?«
    Ich war überrascht. »Warum um alles in der Welt fragst du mich das? Ich glaubte, du wärst gekommen, um auf mich einzuprügeln, weil ich Louisa diese schreckliche Nacht eingebrockt habe.«
    »Das war nicht deine Schuld, sondern meine. Wenn ich dir gesagt hätte, was vor sich geht ... Du wärst wegen mir fast umgebracht worden. Zweimal. Und ich hab' dich nur angeschrien wie ein ungezogenes, verdorbenes kleines Kind.«
    Ich legte einen Arm um ihre Schulter und schob sie in die Wohnung - das letzte, was ich wollte, war, daß Mr. Contreras uns hörte und hereinplatzte. Caroline lehnte sich an mich und ließ sich zum Sofa führen.
    »Wie geht's Louisa?«
    »Sie ist wieder zu Hause.« Caroline zuckte die Schultern. »Heute scheint es ihr sogar etwas besser zu gehen. Sie erinnert sich an nichts, und was immer sie ihr gegeben haben - sie hat jedenfalls besser geschlafen als sonst.«
    Sie nahm eine Zeitschrift in die Hand und drehte sie nervös hin und her. »Die Polizei kam vorbei, kurz nachdem ich nach Hause gekommen war und sie vermißte. Ich war bei einer Marathonsitzung mit den Anwälten von der Umweltschutzbehörde. Wegen der Recyclinganlage. Ich habe gedacht, daß die Nachbarn oder Tante Connie Ma ins Krankenhaus gebracht hätten. Und dann kam die Polizistin, und da bin ich etwas durchgedreht.«
    Ich nickte. »Lotty hat mir gesagt, daß du gestern wutschnaubend angerufen hast. Ich hatte einfach nicht die Kraft, dich noch zurückzurufen.«
    Sie sah mir zum erstenmal, seit sie hier war, direkt in die Augen. »Es war nicht deine Schuld - ich mußte einfach Gift und Galle spucken. Auf der Fahrt zu Ma ins Krankenhaus habe ich dich ununterbrochen verflucht. Aber als ich dort ankam, konnte ich nur noch an dich und deine Mutter denken und wie ihr euch all die Jahre um uns gekümmert habt. Und dann mußte ich daran denken, was du in den letzten drei Wochen alles hast durchmachen müssen für uns. Und da habe ich mich fürchterlich geschämt. Das alles wäre nie passiert, wenn ich dich am Anfang nicht dazu gezwungen hätte, meinen Vater zu suchen.«
    Ich nahm ihre Hand und drückte sie. »Ich habe einen Riesenzorn auf dich gehabt, habe dich wahrscheinlich schlimmer verflucht als du mich. Und einen Heiligenschein trage ich auch nicht gerade - wenn ich Schluß gemacht hätte, als du mich darum gebeten hast, wäre ich niemals halbtot im Sumpf gelandet und Louisa wäre nicht entführt worden.«
    »Aber dann hätte die Polizei nie die Wahrheit herausgefunden«, widersprach sie. »Nancys Mörder wäre nie gefunden worden, und Jurshak und Dresberg würden South Chicago immer noch beherrschen. Ich hätte nicht so ein Feigling sein sollen - als erstes hätte ich dir von den Drohungen gegen Louisa erzählen müssen, dann hätten sie dich nicht so überraschen können.«
    Ich wußte, daß ich ihr sagen mußte, wer ihr Vater war, aber mir fehlten die Worte. Oder der Mut.
    Während ich krampfhaft überlegte, sagte Caroline plötzlich: »Ich habe Ma Zigaretten gekauft. Mir ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher