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Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung

Titel: Blood Lily Chronicles 03 - Versuchung
Autoren: Julie Kenner
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abreißen würde.
    Ich zog eine Grimasse. Die sarkastische Stimmung, in die ich oft in Zeiten der Krise verfiel, kam mir hier völlig fehl am Platz vor. Denn der einzige Grund, warum Deacon diese typische Dämonengestalt angenommen hatte, war ich. Wegen mir hatte er seine einzige Chance auf Erlösung aufgegeben. Hätte er mich aufgegeben, wäre er immer noch ein Mensch, nicht diese Bestie. Die Schuldgefühle, die ich deswegen hatte, erdrückten mich schier.
    Ich kniff die Augen zusammen und dachte an die Ereignisse, unmittelbar bevor wir in diesem Keller bei Penemue gelandet waren. Wir saßen in einer Tempelkammer fest, wo mich Gabriel aufgestöbert hatte. Der Erzengel war einige Zeit jedem meiner Schritte gefolgt, und als er mich dann endlich festgenagelt hatte, erklärte er mir auch den Grund dafür: Ich war ebenfalls ein Schlüssel. Ich konnte die Pforte verschließen und die dämonischen Horden auf Distanz halten. Ich brauchte mich nur in die Hölle zu stürzen, wenn die Konvergenz stattfand.
    Ich brauchte nur bis in alle Ewigkeit in der glühenden Grube zu leiden.
    Genau das erwartete Gabriel von mir.
    Nachdem Deacon ihm unmissverständlich dargelegt hatte, dass er mit seinem Plan, mich zu opfern, nicht einverstanden war, versprach der Engel ihm Erlösung — ebenjene Erlösung, die Deacon so sehnsüchtig erstrebt hatte. Die Hoffnung darauf hatte ihm den Mut verliehen, sich seinen Weg aus der Hölle zu bahnen, und hatte ihn auf einem Pfad gehalten, der so gar nicht seiner Natur entsprach.
    Doch trotz dieses Angebots war Deacon bei seinem Nein geblieben. Meinetwegen.
    Weil er glaubte, er und ich könnten einen anderen Weg finden, die Pforte zu verschließen und unser beider Seelen zu retten.
    Er hatte alles aufgegeben, wofür er gekämpft hatte, und dafür den Höchstpreis bezahlt.
    »Lily?«, fragte Rose leise und berührte mich sanft am Arm. »Lily, was hat er damit gemeint?«
    »Dasselbe wie immer«, antwortete ich. »Dass es irgendwo noch einen weiteren Schlüssel gibt. Einen Schlüssel, der die Neunte Pforte versperren und die Dämonen daran hindern kann, auf unsere Seite herüberzukommen.«
    Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und ließ sich auf den Boden sinken, wobei sie vor Schmerz zusammenzuckte. Stirnrunzelnd beugte ich mich hinunter und betrachtete den hässlichen Schnitt an ihrem Bein. »Glaubst du, er hat recht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich. »Halt mal still.« Ich hatte mein Messer in die Scheide am Schenkel gesteckt, also zog ich es jetzt wieder heraus und schnitt mir in eine Fingerkuppe. Rose riss die Augen auf.
    »Ein Geschenk von Zane.« Die Rede war von meinem früheren Trainer. Eine lange Geschichte. Jedenfalls hatte seinetwegen mein Blut die Kraft zu heilen. Zumindest nahm ich das an. Bei anderen hatte ich diese Fähigkeit noch nicht ausprobiert.
    Ich fuhr mit dem blutigen Finger über den Schnitt auf Roses Schenkel und atmete erleichtert auf, als die Fleischwunde sich sofort zu schließen begann.
    »Wow!«, machte Rose, und da konnte ich ihr nicht widersprechen. »Aber der Schlüssel. Glaubst du wirklich, Deacon hat recht?«
    Ich hatte keine Ahnung. Meine Befürchtung war: Er hatte recht gehabt, aber wir hatten den geheimnisvollen Schlüssel bereits entdeckt - nämlich mich.
    Das wäre echt scheiße, denn die Vorstellung von der Existenz eines dritten Schlüssels hatte mein kleines Herz eine heiße Salsa tanzen lassen. Denn wenn es diesen Schlüssel gab und ich ihn fand, bedeutete das, ich könnte Lösung Nummer drei wählen: den Schlüssel benutzen, die Apokalypse aufhalten. Mich selbst zu opfern oder mich zur dämonischen Majestät zu krönen, hätte ich dann vergessen können. Ich hätte einen einfachen Ausweg aus dem Dilemma nehmen können.
    Und ehrlich gesagt: So verrückt wie mein Leben seit meinem Tod verlaufen war, hörte sich einfach schon sehr verlockend an.
    »Und wie finden wir das jetzt heraus?«
    Ich stand auf und klopfte den Staub aus meiner Jeans. »Deacon«, sagte ich.
    Sie zog die Stirn in Falten. »Derselbe Deacon, der aussah, als würde er uns am liebsten den Kopf abreißen?«
    »Genau der. Die Konvergenz ist nicht mehr weit. Alles, was er über den Schlüssel in Erfahrung bringen konnte, spart uns Zeit.« Außerdem wollte ich ihn wiedersehen. Wollte ihm sagen, dass ich verstand, was er für mich getan hatte, und dass sein Opfer mir mehr bedeutete, als ich je ausdrücken könnte. Und: Ich wollte versuchen, den Deacon zurückzubekommen, den ich kannte.
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