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Blitz kehrt heim

Blitz kehrt heim

Titel: Blitz kehrt heim
Autoren: Walter Farley
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und Henry, hatten sich jemals dem Hengst nähern können, ohne sofort mit Hufen und Zähnen von ihm angegriffen zu werden. Abu ging furchtlos an ihn heran und legte seine Hand sanft auf den glänzenden Hals. Er sprach liebevoll auf Arabisch zu ihm, und des Hengstes Ohren spitzten sich, die Laute waren ihm vertraut. Ohne Schwierigkeiten befestigte Abu den Leitstrick am Halfter, befühlte die Beine des Pferdes, trat einen Schritt zurück und musterte Blitz sachverständig. Viele Menschen hatten Blitz angeschaut, aber niemals mit einem solchen Blick voller Liebe und Verständnis.
    „Du bist gut zu Scheitan gewesen“, sagte er leise. „Er hat sich zu einem prächtigen Pferd entwickelt.“ Er sprach so leise weiter — mehr zu sich selbst — , daß Alec und Henry die nächsten Worte kaum verstehen konnten: „Es scheint mir, daß die Zeit doch nicht vergeudet worden ist.“
    Der Hengst begann zu steigen, als Abu ihn aus der Box führen wollte, und Alec glaubte eine Sekunde lang, er wolle jetzt doch ausschlagen. Der Araber blieb bewegungslos stehen, nur seine Augen folgten dem Versuch zu steigen. Da ließ der Hengst davon ab und ergab sich. Sein Kopf fuhr nach Alec herum, und er wieherte leise.
    Alec war nicht imstande, sich zu bewegen. Sein Pferd... War das Leben ohne Blitz überhaupt noch lebenswert? Er streckte seine Hand aus. „He, Blitz!“ wollte er rufen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Der Hengst, von Abu ben Isaak geführt, verließ ohne Widerstand seine Box. Seine Hufe klapperten auf dem Boden, als er zu Alec ging und den edlen kleinen Kopf senkte. Die Mähne fiel ihm über die Augen, und Alec strich ihm mechanisch das Haar zurück und kraulte ihn an der Stirn, wie er es immer getan hatte. Plötzlich kam ihm zum Bewußtsein, daß dies ein Abschied für immer war, und er warf ihm die Arme verzweifelt um den Hals, sein Gesicht an seine Stirn pressend. Minuten gingen vorüber, es war vollkommen still im Stall. Dann blickte Alec auf, und sein Blick traf den Abu ben Isaaks. „Werden Sie auch gut zu ihm sein?“ Der Araber nickte. Alec streichelte noch einmal den Kopf des Hengstes, fuhr durch die Mähne, ging langsam um das Pferd herum und strich ihm über das glänzende schwarze Fell. Dann flüchtete er in die kleine Gerätekammer an der Rückwand des Stalles, setzte sich dort auf einen Koffer und hielt sich die Ohren zu, weil er das Davontrappen der Hufe und das schrille Wiehern nicht hören wollte. Aber er hörte es doch. Auch das Anlassen des Lastwagenmotors, das Einschalten der Kupplung, das harte Schleifen der Räder auf dem Kies der Straße.
    Sein Pferd war fort! Niemals würde er es wiedersehen.
     

Blutlinien
     
    Alecs Vater ließ die Abendzeitung in den Schoß sinken und zog seine langen Beine von der vor ihm stehenden Fußbank herunter. Durch die Verandafenster konnte er die Sonne hinter Daileys altem Stallgebäude untergehen sehen. Er wandte sich zu seiner Frau, die nähend neben ihm saß.
    „Es wird dunkel, Belle, du wirst dir die Augen verderben!“
    Sie legte Alecs Cordhosen über die Stuhllehne und nahm ihre Brille ab. „Ich habe seine Reithosen geflickt; es könnte sein, daß er sie wieder einmal anziehen möchte.“
    „Ja, das könnte sein, ich hoffe es sogar“, sagte Herr Ramsay und stand auf. „Hast du eine Ahnung, wo er hingegangen ist?“
    „Er hat bloß so obenhin von einem Spaziergang gesprochen.“ Frau Ramsay schaltete die Lampe ein und nahm ihre Näharbeit wieder auf. „Ich mache mir Sorgen um ihn, Bill. Er hat keinen rechten Appetit, und nichts macht ihm mehr Freude.“
    „Ich bin schon froh, daß er einmal sein Zimmer verlassen hat und an die frische Luft gegangen ist. In der vergangenen Woche hat er sich ja dauernd eingesperrt.“
    „Er hat sehr eifrig gelernt, Bill! Und er hat die Abschlußprüfungen in der Schule gut bestanden!“ Stolz fügte sie hinzu: „Einer seiner Freunde hat mir erzählt, daß er die besten Noten von allen bekommen hat!“
    „Ja, ich weiß, das ist schön. Belle, bloß, es sieht eigentlich unserem Alec gar nicht ähnlich, dieses übereifrige Lernen! Wir beide kennen natürlich die Ursache: er wollte den Gedanken an sein Pferd entgehen. Ich bin nur neugierig, was er nun jetzt nach Schulschluß in den Sommerferien anfangen wird?“ Frau Ramsay blickte von ihrer Näharbeit auf. „Was meinst du, könnten wir es wohl erschwingen, ihm ein andres Pferd zu kaufen, zum Ersatz für seinen geliebten Blitz? Wir könnten ja sagen, wir schenkten es ihm
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