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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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nicht ich erfunden!«
    Milos kleine Hand bewegte sich flink von der Maus zur Tastatur und wieder zurück zur Maus. Damit verließ er die bisherige Website, um eine Online-Enzyklopädie aufzurufen. Dort gab es eine Biografie von Shearman Waxx.
    Ich beugte mich über den Kopf meines Sohnes und las den ersten Satz auf dem Bildschirm vor: »Shearman Thorndike Waxx, preisgekrönter Kritiker und Autor von drei äußerst erfolgreichen College-Lehrbüchern über kreatives Schreiben, lebt extrem zurückgeblieben.«
    »Siehst du?«, sagte Milo.
    »Das ist ein Irrtum«, erklärte ich. »Es müsste eigentlich zurückgezogen heißen.«
    »Ach so. Laaangweilig!«
    Ich las weiter: »Waxx lehnt alle Ehrendoktorwürden und anderen Auszeichnungen ab, die seine Anwesenheit bei einer öffentlichen Zeremonie erfordern würden. Selbst analen Interviews verweigert er sich kategorisch.«

    »Was ist ein anales Interview?«, erkundigte sich Milo.
    »Das ist ein Tippfehler. Das soll bestimmt banal heißen.« Ich überflog den restlichen Text. »Offenbar gibt es nur ein einziges bekanntes Foto von Waxx.«
    »Der ist sehr, sehr alt«, sagte Milo.
    »Tatsächlich? Wie alt denn?«
    »Er wurde 1868 geboren.«
    »Wahrscheinlich soll das 1968 heißen.«
    »Machen richtige Lexiköner auch so viele Fehler?«
    »Nein.«
    »Können wir dann ein richtiges Lexikon kaufen?«
    »Aber gern.«
    »Und wann holen wir uns Waxx?«, fragte Milo.
    »Was soll das heißen?«
    »Rache«, sagte Milo, während Lassie leise knurrte. »Wann werden wir ihn dafür büßen lassen, dass er dich beleidigt hat, Dad?«
    Bestürzt darüber, dass Milo meinen Zorn so deutlich spüren konnte und davon zu Rachegelüsten angeregt wurde, trat ich neben ihn, griff zur Maus und klickte die Enzyklopädie weg.
    »Rache ist keine gute Sache, Milo.« Ich schaltete den Computer aus. »Außerdem tut Mr Waxx nur, wofür er bezahlt wird.«
    »Wofür wird er denn bezahlt?«
    »Dafür, Bücher zu lesen und seinem Publikum zu sagen, ob es ihm gefallen hat oder nicht.«
    »Kann sein Publikum denn nicht selber lesen?«
    »Doch, aber es hat viel zu tun, und weil so viele Bücher gedruckt werden, aus denen man auswählen kann, vertraut man seinem Urteil.«
    »Wieso vertraut man dem?«

    »Das wüsste ich selber gern.«
    Das Telefon auf meinem Schreibtisch läutete. Die dritte Leitung.
    Als ich abhob, hörte ich die Stimme von Hud Jacklight, meinem Literaturagenten. »Die Rezension von Waxx«, sagte er ohne irgendwelches Vorgeplänkel. »Eine tolle Sache. Du hast es geschafft, Cubster!«
    »Wieso habe ich es geschafft? Hud, er hat das Buch verrissen!«
    Milo verdrehte die Augen. »Das ist der Quakerich«, flüsterte er Lassie zu.
    Weil Hud keine Ahnung von Kindern hatte, meinte er, die wären begeistert, wenn er ihnen in die Nase, die Ohren oder das Kinn kniff und dabei ein lautes, quakendes Geräusch von sich gab.
    »Völlig schnuppe«, sagte er. »Ist schließlich eine Rezension von Waxx. Du hast es geschafft. Er nimmt dich ernst. Das ist fantastisch!«
    Lassie brach ihr charakteristisches Schweigen und stieß ein leises Knurren aus, während sie auf das Telefon in meiner Hand blickte.
    »Hud«, sagte ich, »offenbar hat er das Buch nicht einmal gelesen.«
    »Irrelevant. Es ist Publicity, und die wirkt verkaufsfördernd. Jetzt bist du ein Waxx-Autor. Darauf kommt es an. Ein Waxx-Autor! Was Besseres gibt es nicht.«
    Hud gab zwar vor, meine Romane alle gelesen zu haben, aber mir war völlig klar, dass er keinen davon kannte. Er rühmte sie nämlich, ohne in irgendeiner Weise auf die Handlung oder eine bestimmte Figur einzugehen.
    Manchmal wählte er nach dem Zufallsprinzip eine Manuskriptseite aus und schwärmte über die Eleganz eines Satzes
oder Abschnitts. Den las er mir dann laut am Telefon vor, als würde meine Prosa frisch und brillant klingen, wenn er sie mit seiner penetranten Intonation vortrug, aber seine Stimme erinnerte leider weniger an die eines Theaterschauspielers als an die eines Viehauktionators. Indem er die falschen Wörter betonte, verriet er oft ungewollt, dass er die Passage, mit der er mich bombardierte, überhaupt nicht verstanden hatte.
    »Ein Waxx-Autor. Ich bin stolz auf dich, Cubman. Heute Abend musst du feiern! Das hast du dir verdient.«
    »Es gibt nichts zu feiern, Hud.«
    »Lass dir eine gute Flasche Wein servieren. Auf meine Kosten. Behalte die Rechnung. Ich gebe dir das Geld dann wieder.«
    »Selbst Lassie meint, diese Rezension verdient eher Rache als eine
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