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Blindwütig: Roman

Titel: Blindwütig: Roman
Autoren: Dean Koontz , Bernhard Kleinschmidt
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sind. Die bilden ein ideales Gegengewicht zu Waxx.«
    Als ich aufgelegt hatte und mich umdrehte, saß Penny am Tisch und hielt Messer und Gabel so in den Händen, als handelte es sich nicht um Esswerkzeuge, sondern um Waffen.
Nachdem sie meinen Teil des Gesprächs mit meiner Lektorin mitbekommen hatte, nahm sie offenbar eine Bedrohung für ihre Familie wahr und war so gut zum Kampf gerüstet wie die Brunhild, die sie einmal gewesen war.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    »Shearman Waxx hat mein Buch rezensiert.«
    »Ist das alles?«
    »Es hat ihm nicht gefallen.«
    »Na und? Der sondert doch ständig irgendwelchen Blödsinn ab, dieser Schleim…« Sie stockte, warf einen Blick auf Milo und bog den erzieherisch fragwürdigen Ausdruck zu einem Fantasiewort ab: »…schlinger.«
    »Was ist denn ein Schleimschlinger?«, erkundigte sich Milo unverzüglich.
    »Eine Art Wiesel«, sagte ich, wohl wissend, dass das intellektuelle Genie meines Sohnes sich nicht auf die Biologie erstreckte.
    »Ich fand das Buch toll«, sagte Penny, »und ich bin die ehrlichste Kritikerin, die es geben kann.«
    »Mag sein, aber ein paar Hunderttausend Leute lesen seine Rezensionen.«
    »Die liest doch niemand außer irgendwelchen moralinsauren Typen, die sich daran freuen, wenn jemand Gift verspritzt.«
    »Wozu macht es das denn?«, fragte Milo.
    Ich sah ihn entgeistert an. »Wer? Was?«
    »Das Wiesel. Wozu schlingt es Schleim?«
    »Um seine Beute auszutricksen.«
    »Tu dir einen Gefallen«, riet mir Penny. »Verzichte auf die Rezension.«
    »Wenn ich sie nicht lese, weiß ich nicht, was er geschrieben hat.«
    »Eben.«

    »Was für eine Beute?«, wollte Milo wissen.
    »Mäuse natürlich.«
    »Hat irgendeine Rezension, egal ob gut oder schlecht, je deinen Schreibstil beeinflusst?«, fragte Penny.
    »Natürlich nicht. Schließlich habe ich ein Rückgrat.«
    »Also bringt es nichts, das Zeug zu lesen.«
    »Und wie trickst es sie aus?«, bohrte Milo weiter.
    »Ganz einfach. Es schlingt Schleim um die Grashalme vor seinem Bau, und wenn die Mäuse sich darin verfangen, kann es sie problemlos schnappen.«
    »Ehrlich?«
    »Ja, klar. Das haben sie erst neulich im Fernsehen gezeigt.« Lassie behielt ihr Pokerface, aber man sah ihr an, dass mein Vortrag über das Jagdverhalten des Schleimschlingers sie nicht überzeugt hatte.
    Milo hatte er auch nicht überzeugt. »Mom, jetzt macht Dad es wieder«, sagte er. »Er lügt!«
    »Ach, der lügt doch nicht«, versicherte Penny ihm. »Er stellt nur die lebhafte, geschmeidige Fantasie eines guten Romanschriftstellers zur Schau.«
    »Wirklich? Und was ist der Unterschied zum Lügen?«
    Lassie beugte sich vor und legte den Kopf schief, als wäre sie neugierig, was Penny zu erwidern hatte.
    »Lügen schadet anderen Leuten«, erklärte Penny. »Fantasie macht das Leben angenehmer.«
    »Wie jetzt zum Beispiel«, sagte ich. »Gerade stelle ich mir nämlich vor, wie Shearman Waxx von einem tollwütigen Schleimschlinger angefallen und getötet wird.«
    »Lass einfach gut sein«, riet Penny.
    »Ich habe Olivia versprochen, ich rufe sie zurück, sobald ich die Rezension gelesen habe.«
    »Lies sie nicht!«

    »Und was ist mit meinem Versprechen?«
    Den Mund voll Pfannkuchen, schüttelte Penny betrübt den Kopf.
    »Ich bin groß und tapfer«, sagte ich. »So was kann mir nichts anhaben. Ich muss es lesen, aber mach dir keine Sorgen - ich werde einfach darüber lachen.«
    Damit kehrte ich in mein Arbeitszimmer zurück und schaltete den Computer an.
    Statt Olivias E-Mail am Bildschirm zu lesen, druckte ich ihren Kommentar und die drei Rezensionen aus.
    Zuerst las ich die aus USA Today und dann die aus der Washington Post . Beide waren glänzend, was mir Mut machte.
    Mit professioneller Distanz machte ich mich schließlich an die Kritik von Shearman Waxx.
    Dieser miese Schleimscheißer!

2
    In New York hatte meine Lektorin Olivia Cosima ihre Mittagspause aufgeschoben, bis ich sie anrief.
    Ich hatte die bloßen Füße auf den Tisch gelegt und saß zusammengesackt auf meinem Bürostuhl, den Telefonhörer in der Hand. »Olivia«, sagte ich, »dieser Waxx kapiert einfach nicht, dass mein Buch teilweise humoristische Züge hat.«
    »Nein, mein Lieber, das kapiert er nicht. Und du solltest dankbar dafür sein, denn wenn er es kapiert hätte, dann hätte er behauptet, dein Humor würde nicht funktionieren.«
    »Er hält einen Ausdruck wie ›prekäre Prosa‹ für geistreich.«
    »Das hat er auf der Universität gelernt. Dort hält man
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