Blindes Vertrauen

entscheidenden Hinweis überhört haben. »Wollen Sie sagen, daß Sie Vanessa Merritt von Becky Sturgis erzählt haben?«
    Â»Klar!«
    Â»Wann, Charlene?«
    Â»Wann was?«
    Â»Wann haben Sie mit ihr gesprochen? Wann haben Sie ihr von Becky Sturgis und ihrem Baby erzählt?«
    Â»Hmmm, mal sehen. Erst nachdem ich’s von Becky gehört hatte, versteht sich. Muß gewesen sein, als Mrs. Merritt gerade First Lady geworden war.«
    Â»Charlene, wenn das eins Ihrer Märchen ist…«
    Â»Sie sind meine Freundin. Meinen Freunden erzähle ich keine Märchen.«
    In Barries Kopf drehte sich alles. »Mal sehen, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben Mrs. Merritt, der First Lady, von Becky Sturgis erzählt – von ihrer viele Jahre zurückliegenden Affäre mit David Merritt?«
    Â»In allen Einzelheiten. Genau wie Ihnen. Ich hab’ ihr erzählt, daß David Merritt Beckys Kleinen umgebracht hat – und daß der Senator seine Tat vertuscht hat.«
    Barrie stützte ihre Ellbogen auf den Schreibtisch und legte die Stirn in ihre Hand, damit der Raum aufhörte, sich um sie zu drehen.
    Â»Ich hab’ ihr einen Brief nach dem anderen geschrieben«, fuhr Charlene fort, »und sie gewarnt, daß sie mit einem Mörder verheiratet ist, aber sie hat mich ignoriert. Wenigstens hab’ ich das geglaubt. Dann hat sie mich eines Tages hier im Gefängnis angerufen. Hat natürlich einen falschen Namen angegeben,
aber eine Nummer hinterlassen, unter der ich sie auf ihre Kosten zurückrufen konnte. Wir haben ’ne halbe Stunde, vielleicht sogar länger, miteinander geredet. Die anderen Ladys, die auch telefonieren wollten, waren stinksauer, aber ich hab’ ihnen gesagt, sie sollen sich verpissen.«
    Die Uhr auf Barries Schreibtisch tickte – aber ihr Herzschlag war noch lauter. Sie kämpfte gegen einen plötzlichen Brechreiz an.
    Eine Produktionsassistentin steckte den Kopf in ihr Büro. »Barrie? Neunzig Sekunden.«
    Barrie nickte, um zu zeigen, daß sie sie gehört hatte. »Charlene, haben Sie denn niemandem vom Anruf der First Lady erzählt?«
    Â»Klar hab’ ich davon erzählt!« rief sie aus. »Aber denken Sie, mir hätte jemand geglaubt?«
    Der Frau, die Robert Redfords College-Sweetheart gewesen war und von Elvis Presley ein uneheliches Kind bekommen hatte? Wer hätte ihr glauben sollen?
    Â»Also…« Barrie war zu keinem klaren Gedanken imstande. »Also…«
    Â»Barrie?« Die Assistentin war wieder da. »Alles okay? Wir gehen in einer Minute auf Sendung.«
    Â»Komme sofort!« Dann fragte sie Charlene: »Also, was hat sie gesagt, nachdem Sie ihr die Geschichte mit Becky Sturgis erzählt hatten?«
    Â»Sie hat mich gewarnt, daß das unter uns bleiben und ich aufhören muß, ihr Briefe zu schreiben, weil sie mir sonst das FBI auf den Hals hetzt. Ich hab’ ihr vorgeschlagen, herzukommen, selbst mit Becky zu reden und sich alles erzählen zu lassen, aber sie hat geantwortet, nein, das könnte sie nicht. Sie hat gesagt, daß alles schon vor langer Zeit passiert ist und wahrscheinlich sowieso nicht wahr ist. Hat mich verdammt geärgert,
weil ich mich so abgestrampelt hatte, überhaupt an sie ranzukommen, und sie dann nicht mal auf meine Warnung gehört hat. Keine zwei Jahre später ist sie dann schwanger geworden. Nach allem, was ich ihr erzählt hatte, ist sie hingegangen und hat ein Baby von diesem Mann gekriegt. Sie muß verrückt sein.«
    Vanessa Armbruster Merritt war alles andere als verrückt.
    Barrie, bitte helfen Sie mir. Begreifen Sie nicht, was ich Ihnen zu sagen versuche?
    Was wäre, wenn ihr Motiv ganz normale, gewöhnliche Rachsucht gewesen wäre?
    Ich habe Robert Rushton nicht ermordet. Sie war’s!
    In diesem Punkt hatte David Merritt die Wahrheit gesagt.
    Sie ist die Verrückte!
    Und wie Charlene Walters, eine Philosophin hinter Gittern, so richtig gesagt hatte: Verrückte können sich praktisch alles leisten. Sie würden staunen!
    Mit kaum hörbarer Stimme fragte Barrie: »Haben Sie jemals wieder von Vanessa Merritt gehört, Charlene?«
    Â»Nur einmal. Als sie mich angerufen und mir vorgeschlagen hat, mich bei Ihnen zu melden.«

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel
»Exklusive« bei Warner Books, Inc., New