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Blinde Wahrheit

Blinde Wahrheit

Titel: Blinde Wahrheit
Autoren: Shiloh Walker
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schon wieder. Lena versuchte ihren Blick auf die Stelle zu fokussieren, wo das Geräusch herkam.
    Puck winselte und zog noch stärker an der Leine. Lena drehte den Kopf, um besser lauschen zu können. Doch das Geräusch war verschwunden. Lediglich das Rascheln der Blätter vom leicht einsetzenden Wind und der Ruf eines Vogels waren zu hören. Irgendwo in der Ferne hörte sie ein Auto davonfahren.
    Dennoch – allein die Erinnerung an dieses Geräusch, was auch immer es gewesen sein mochte, ließ sie schaudern.
    »Weißt du was, Puck?«, murmelte sie. »Du hast recht. Wir verschwinden hier besser.«
    In ein paar Stunden musste sie ohnehin zur Arbeit.
    »So, bitte schön … « Er beugte sich über sie und begutachtete ihr Haar.
    Die glänzenden blonden Strähnen waren nun auf Kinnlänge gestutzt, schnurgerade und so gleichmäßig wie nur möglich.
    Blind und mit starrem Blick schaute sie an ihm vorbei.
    Der leere Ausdruck in ihren Augen ärgerte ihn zwar, überrascht war er jedoch nicht. Er hatte es kommen sehen. Bereits ihre erste Reaktion, ihr erster Schrei, hatte darauf schließen lassen.
    Dieses Mädchen besaß keinen Lebensmut mehr, und wenn der Kampfgeist einmal erloschen war …
    Tja. Nichts zu machen.
    Sorgfältig sammelte er das Haar auf, wählte einige Strähnen aus und ließ den Rest in eine Tüte fallen, die er zu dem Bündel legte, das er hinaustragen würde. Später. Zuerst musste er sich noch um einige Dinge kümmern.
    Er ließ den Blick über ihren Körper wandern, über die große schlanke Gestalt, über ihre Gliedmaßen, die nun blass und schlaff herunterhingen, die sanfte Wölbung ihres Bäuchleins, ihre schönen, üppigen Brüste … Er schätzte es, wenn eine Frau einen ordentlichen Vorbau besaß. Schließlich ließ er den stumpfen Goldglanz, den die Kette an ihrem Hals abgab, auf sich wirken und musterte ihre kräftigen, weich geschwungenen Schultern.
    Er ging neben ihr in die Hocke und hob ihren leblosen Körper hoch.
    Was er nun tun musste, würde nicht besonders schön werden, und er würde es nicht hier erledigen.
    »Was glaubst du, was das war?«
    »Keine Ahnung, verdammt.« Lena seufzte und wandte sich ihrer besten Freundin zu. Schon allein mit Roslyn Jennings zu reden, tat ihr gut. Auch wenn sie sich ein bisschen blöd vorkam. Wahrscheinlich war dort überhaupt nichts gewesen. Rein gar nichts … Obwohl es ihrem Hund einen gehörigen Schrecken eingejagt hatte. »Puck war jedenfalls ganz schön verstört.«
    »Du klingst allerdings auch so, als wärst du ein bisschen neben der Spur.«
    »Ja, das kannst du laut sagen.«
    Auch wenn neben der Spur es eigentlich nicht so ganz traf.
    Lena verzog das Gesicht und ermahnte sich selbst, konzentriert zu bleiben. Sie sollte lieber aufpassen, was sie tat, sonst würde sie nicht nur die Kartoffeln, sondern auch ihre Finger klein schneiden. Und mit Sicherheit wäre es auch nicht gerade förderlich für den Ruf des Restaurants, wenn sich herumsprach, dass die Chefköchin Körperteile in die Mahlzeiten mischte.
    Aus unerfindlichen Gründen lief es ihr bei diesem Gedanken eiskalt den Rücken hinunter.
    »Schon komisch, dass Puck sich so gesträubt hat. Das ist noch nie vorgekommen. Er liebt eure Spaziergänge, nicht wahr?«
    »Jepp, allerdings. Du hast recht … Das sieht ihm einfach nicht ähnlich.« Lena konnte sich nicht daran erinnern, dass ihr Hund jemals solch ein Verhalten an den Tag gelegt hätte. Er war ein gutes Tier, beschützerisch, liebevoll … fast wie ein Freund.
    »Lass uns noch mal über dieses Geräusch nachdenken, das du gehört hast. Wenn wir herausfinden, was das war, wissen wir vielleicht auch, was Puck so nervös gemacht hat. Das hing wahrscheinlich irgendwie miteinander zusammen, oder? Wäre jedenfalls eine logische Erklärung.«
    »Ich kann es nicht genau zuordnen. Es klang wie ein Stöhnen, aber irgendwie erstickt.«
    »Nimm’s mir nicht übel, aber könnte es vielleicht sein, dass da gerade jemand zugange war?« Zweifel, aber auch Neugier schwangen in Roslyns Stimme mit.
    »Zugange?«, fragte Lena. »Womit denn?«
    Ungefähr zwei Sekunden lang sagte Roz gar nichts. Dann brach sie in Gelächter aus. »Ach, Süße, du bist einfach viel zu lange nicht mehr flachgelegt worden. Mit Sex, Mädchen. Weißt du noch, was das ist?«
    »Ich kann mich vage daran erinnern.« Mit finsterer Miene hackte Lena etwas energischer auf die Kartoffeln ein als unbedingt notwendig gewesen wäre. Nein, sie hatte bestimmt nicht vergessen, was Sex war.
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