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Blind Date mit Folgen - Roman

Blind Date mit Folgen - Roman

Titel: Blind Date mit Folgen - Roman
Autoren: Tamara Wernli
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eins auszuwischen. Dazu später mehr. Ich wollte dich jetzt und hier treffen, weil ich denke, dass wir uns aussprechen müssen. Unbedingt. Es kommt abrupt, aber die Ereignisse der letzten Wochen haben uns überrollt und ich … wir waren beide nicht darauf vorbereitet, trotzdem, wir müssen reden. Jetzt haben wir Gelegenheit. Ich möchte dir alles erzählen, die ganze Wahrheit.« Er sah sie mit einem Blick an, der sie seine ganze Hilflosigkeit erkennen ließ. Ihr fielen die tiefen Furchen auf seiner Stirn auf und sie fragte sich, was in all den Jahren geschehen war, das ihn so hatte altern lassen. Und immer noch fiel ihr diese Verlegenheit an ihm auf, unterschwellig zwar, aber sie war da und irritierte sie. Wo war seine Selbstsicherheit geblieben, mit der er jeder noch so schwierigen Situation Herr wurde? Wo war seine Schlagfertigkeit, sein Charme, mit dem er sie betörte, und sein Humor, der sie alles Schlimme vergessen ließ? Er war ihr Hafen gewesen, der sie vor jedem Sturm rettete und bei dem sie sich wie nirgendwo auf der Welt geborgen fühlte. Der alte Yaron, den sie für all diese Eigenschaften bewundert und geliebt hatte, war verschwunden.
    Die Enttäuschung, die sie beim Anblick des Mannes empfand, der ihr mit trüben, um Vergebung suchenden Augen gegenüber saß, wurde immer größer. Gleichzeitig war sie über diese Erkenntnis erschüttert und unsäglich traurig.
    Maira lächelte ihn tapfer an und ließ ihn seine Geschichte erzählen. Nüchtern und sachlich berichtete er ihr von der Schwarzen Liste, klärte sie über seinen vorgetäuschten Tod auf, den Identitätswechsel, erzählte von seiner Auswanderung nach Deutschland, der schwierigen Integration und der Begegnung mit Deborah. In einem kurzen Nebensatz erwähnte er die Heirat und seinen Sohn.
    Sie hörte ihm still zu, bis er seine Erzählung schließlich mit dem soeben erlebten Zwischenfall mit Sven schloss. Sein Deutsch hörte sich tadellos an, es war, als ob ein Fremder mit ihr spräche. Auch seine Stimme war anders, tiefer, er betonte die Silben mehr, sprach langsamer.
    »Stell dir vor«, meinte er, »wenn er dich nicht gedrängt hätte, anzurufen, säßen wir jetzt nicht hier und würden nach all der Zeit nicht wieder miteinander reden.«
    »Mhhh …« Mehr fiel ihr dazu einfach nicht ein.
    »Schau, Maira. Ich will mich nicht rechtfertigen oder herausreden für das, was ich damals getan habe. Du kannst es vielleicht nicht verstehen und du musst es auch nicht, nicht einmal verzeihen. Rückblickend war es möglicherweise die falsche Lösung, aber in der Not blieb mir damals nur dieser eine Ausweg. Ich musste es tun, weil ich dich so sehr liebte.« Er lehnte sich auf dem Tisch vor und nahm unerwartet ihre Hand. Maira schauderte und entzog sie ihm.
    »Bitte nicht.«
    »Es tut mir leid.« Er fuhr sich erneut durchs Haar. »Ich wollte dich nicht erschrecken, es kam so über mich.«
    »Schon gut.«
    »Ich würde verstehen, wenn du den Kontakt zu mir für immer abbrechen willst. Du hast jedes Recht dazu und ich hab’s nicht besser verdient. Aber ich bitte dich«, er flehte sie nun richtig an, »tu es nicht. Erzähl mir von deinem Leben, deinem Leben nach Israel. Was hast du all die Jahre gemacht? Ich möchte alles erfahren!«
    Sie hatte nicht die geringste Lust, ihm irgendetwas aus ihrem Leben zu berichten, und überhaupt, wieso interessierte ihn dies plötzlich, nachdem er sie jahrelang gemieden und sich vor einer Aussprache gedrückt hatte?
    »Maira, ich konnte dich nie vergessen. Ich habe sehr oft über dich – uns – nachgedacht, wie es für dich wohl gewesen ist, ob du wieder in der Schweiz lebst, glücklich geworden bist, ich wollte dich suchen …«
    Und warum hast du’s nicht getan? Warum? Warum? Warum! »Ah, ja?« fuhr sie ihn an. »Wo denn, im Chat?«
    »Du magst es mir nicht glauben, aber ich war oftmals nahe dran, deinen Vater anzurufen. Ich wollte dich wiedersehen. Nur war es nicht ganz einfach. Ich musste nach dem Umzug nach Deutschland erst Zeit verstreichen lassen … mich einleben … ein neues Leben beginnen.«
    Mit der Verzweiflung und Trauer der zehn letzten Jahre in der Stimme stellte sie die Frage:
    »Und dann war es für immer zu spät?«
    Eigentlich wollte sie die Antwort gar nicht hören. Es spielte keine Rolle, ob er mit ja oder nein antwortete, oder was er sonst sagte. Die verlorenen Jahre, die vergessene Liebe … Es tat ihr nicht mehr weh. Sie fühlte nur eine große Leere in sich. Yaron starrte auf sein Glas und erwiderte
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