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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz
Autoren: Jane Feather
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hier vor sich ging? Hatte er etwas gesehen? Auf welche Weise konnte sie sich verraten haben? Oder war es etwas, was Sebastian getan oder gesagt hatte? Vielleicht ein bestimmter Blick? Fragen und Vermutungen schwirrten Judith im Kopf herum. Sie war mit Marcus Devlin kaum bekannt. Er war zu kultiviert und gebildet, zu nüchtern, um für sie und Sebastian von Nutzen zu sein, aber sie wurde das unangenehme Gefühl nicht los, daß er ein Gegner wäre, den man auf keinen Fall unterschätzen durfte.
    Das Speisezimmer lag hinter dem Ballsaal, doch statt seine Begleiterin um die Walzer tanzenden Paare herum-und an den Reihen von Anstandsdamen vorbeizuführen, die entlang der Wand saßen, strebte Marcus auf die hohen Verandatüren zu, die sich auf eine mit Fahnen geschmückte Terrasse öffneten. Ein Windzug bauschte die schweren Samtvorhänge über einer der Türen.
    »Ich hatte den Eindruck, wir würden zu Abend essen.« Judith blieb abrupt stehen.
    »Nein, wir werden einen kleinen Spaziergang in der frischen Nachtluft unternehmen«, informierte sie ihr Begleiter mit verbindlichem Lächeln. »Setzen Sie nur schön einen Fuß vor den anderen, Madam, sonst könnte unser Vorwärtskommen etwas ungleichmäßig werden.« Ein unmißverständlicher Ruck an ihrem Arm zog sie vorwärts und ließ sie stolpern, worauf Judith ihr Tempo hastig den gemächlichen, aber entschlossenen Schritten ihres Begleiters anpaßte.
    »Ich mache mir nichts aus frischer Nachtluft«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen, während sie ihr Lächeln beibehielt. »Sie ist schlecht für die Gesundheit und führt häufig zu Schüttelfrost oder Rheumatismus.«
    »Nur bei Leuten, die schon senil sind«, erwiderte er und hob seine dichten schwarzen Augenbrauen. »Ich würde sagen, Sie sind nicht einen Tag älter als zweiundzwanzig. Es sei denn, Sie wären sehr geschickt im Umgang mit Puder und Farbe.«
    Er hatte ihr Alter exakt erraten, und Judiths Gefühl, immer mehr den Boden unter den Füßen zu verlieren, verstärkte sich noch. »Ich bin keine so begabte Schauspielerin, Mylord«, entgegnete sie eisig.
    »Nicht?« Er schob den Vorhang für sie beiseite, und gleich darauf fand Judith sich auf der Terrasse wieder, die von Fackeln in Wandleuchtern entlang der niedrigen Brüstung erhellt wurde, die auf die weite Rasenfläche hinausging. »Ich hätte geschworen, Sie ständen mit Ihrem Talent keinem in der Drury Lane nach.« Die Feststellung war von einem durchdringenden Blick begleitet.
    Judith sammelte all ihre Kraft und antwortete auf den Kommentar, als wäre er als humorvolles Kompliment gemeint. »Sie sind zu freundlich, Sir. Ich gestehe, ich habe Mrs. Siddons lange Zeit um ihr Talent beneidet.«
    »Oh, Sie unterschätzen sich«, sagte Marcus weich. Sie hatten jetzt die Brüstung erreicht, und er blieb unter dem Licht einer der Fackeln stehen. »Sie spielen recht gut Theater, Miss Davenport. Sie und Ihr Bruder.«
    Judith richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Es war keine sonderlich beeindruckende Geste, verglichen mit der Breite und Statur ihres Begleiters, aber sie gab ihr die Illusion von Überlegenheit. »Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen, Mylord. Es scheint, als hätten Sie mich gezwungen, Sie zu begleiten, um mich mit vagen Andeutungen zu beleidigen.«
    »O nein, meine Anschuldigungen sind nicht im geringsten vage«, erwiderte er. »Und wie beleidigend sie auch sein
    mögen, ich nehme doch an, das Kartenspiel meines Cousins wird sich während Ihrer Abwesenheit verbessern.«
    »Was wollen Sie damit unterstellen?« Plötzlich wich alle Farbe aus ihren Wangen, um gleich darauf in einer heißen Woge der Verlegenheit wieder zurückzukehren. Hastig entfaltete sie ihren Fächer in dem vergeblichen Versuch, ihren inneren Aufruhr zu verbergen.
    Der Marquis hielt Judith am Handgelenk fest und wand ihr den Fächer rasch aus der Hand. »Sie sind wirklich überaus geschickt mit einem Fächer, Madam.«
    »Bitte? Ich weiß nicht, was Sie meinen.« Sie versuchte wieder, sich den Anschein von hochmütigem Unverständnis zu geben, allerdings mit mangelnder Überzeugungskraft.
    »Geben Sie die Farce auf, Miss Davenport. Sie nützt keinem von uns beiden. Sie und Ihr Bruder können von mir aus so viele Dummköpfe schröpfen, wie Sie finden, aber meinen Cousin werden Sie in Ruhe lassen!«
    »Sie sprechen in Rätseln«, erwiderte Judith. Völlig ausgeschlossen, daß er etwas beweisen oder eine Beschuldigung in aller Öffentlichkeit Vorbringen kann, sagte
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