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Blauer Montag

Blauer Montag

Titel: Blauer Montag
Autoren: N French
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Sie konnte nicht einmal sein Rauschen hören. Hier unten am Wasser wehte der aus Süden kommende Wind ziemlich stark, aber seltsam warm. An einem dunklen Novembermorgen wirkte er irgendwie fehl am Platz. Frieda warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Noch nicht einmal vier. Welche Richtung? East End oder West End? Sie entschied sich für den Westen, überquerte den Fluss und lief flussaufwärts. Jetzt wurde sie endlich müde, sodass sie den Rest der Wegstrecke nur noch verschwommen wahrnahm: eine Brücke, Regierungsgebäude, Parks, große Plätze. Dann ging es quer über die Oxford Street, und als sie schließlich die vertrauten Pflastersteine ihrer Wohngegend unter den Füßen spürte, war es immer noch so dunkel, dass sie mit ihrem Schlüssel an der Haustür herumfummeln musste, um ins Schloss zu finden.

2
    C arrie sah ihn schon aus der Ferne, trotz des bereits schwächer werdenden Lichts. Die Hände tief in den Taschen vergraben, kam er mit leicht hängenden Schultern quer über die Wiese auf sie zu. Dabei pflügte er mit den Schuhen durch feuchte Haufen braunen Laubs. Er sah Carrie nicht, denn er hielt den Blick starr auf den Boden gerichtet. Seine Bewegungen wirkten so langsam und schwerfällig, als wäre er gerade erst aus einem tiefen Schlaf erwacht. Als fühlte er sich immer noch etwas benommen, eingehüllt in seine Träume. Oder Albträume, dachte Carrie, während sie ihren Ehemann beobachtete. Als er schließlich doch hochblickte, hellte sich seine Miene auf, und er beschleunigte seine Schritte ein wenig.
    »Danke, dass du gekommen bist!«
    Sie hakte sich bei ihm unter. »Was ist denn los, Alan?«
    »Ich musste einfach weg von der Arbeit. Ich habe es dort nicht mehr ausgehalten.«
    »Ist etwas passiert?«
    Achselzuckend zog er den Kopf ein. Sie dachte, dass er noch immer aussah wie ein Junge, auch wenn sein Haar vorzeitig ergraut war. Er besaß die Schüchternheit, aber auch die Unbefangenheit eines Kindes. Man konnte alle seine Empfindungen von seinem Gesicht ablesen. Oft wirkte er ein wenig verloren und weckte bei den Leuten den Wunsch, ihn zu beschützen. Vor allem bei Frauen. Auch sie wollte ihn beschützen, es sei denn, sie wünschte sich ausnahmsweise mal selbst einen Beschützer. Bei solchen Gelegenheiten trat an die Stelle ihrer sonst so zärtlichen Gefühle eine Mischung aus Frustration und Verärgerung.
    »Der Montag ist immer ein schlimmer Tag.« Sie bemühte
sich um einen lockeren, frischen Ton. »Vor allem im November, wenn der ewige Nieselregen anfängt.«
    »Ich musste dich unbedingt sehen.«
    Sie zog ihn den Pfad entlang. Sie waren diesen Weg schon so oft miteinander gegangen, dass ihre Füße sie von selbst in die richtige Richtung zu lotsen schienen. Inzwischen hatte es zu dämmern begonnen. Sie kamen am Spielplatz vorbei. Carry vermied es hinüberzublicken, wie sie es inzwischen immer tat, aber es war ohnehin niemand da, abgesehen von ein paar Tauben, die auf dem gummierten Asphalt herumpickten. Sie bogen auf den Hauptweg ein und schlenderten am Musikpavillon vorbei. Vor Jahren hatten sie mal dort gepicknickt. Carrie wusste selbst nicht, warum sie sich so deutlich daran erinnerte. Es war im Frühling gewesen, an einem der ersten milden Tage des Jahres. Während sie damals ihre Schweinefleischpasteten aßen und ihr mitgebrachtes, schon viel zu warmes Bier tranken, sahen sie den Kindern zu, die vor ihnen im Gras herumtollten und sogar über ihre eigenen Schatten stolperten. Carrie erinnerte sich noch genau, wie sie an jenem Tag auf dem Rücken gelegen hatte, den Kopf auf Alans Schoß, und er ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen und ihr dann gesagt hatte, dass sie ihm alles bedeute. Er war kein Mann vieler Worte. Vielleicht war das der Grund, warum sich solche Dinge derart in ihr Gedächtnis eingruben.
    Sie wanderten über den Hügel zu den Teichen hinüber. Früher hatten sie gelegentlich Brot mitgebracht, um die Enten zu füttern, auch wenn das normalerweise wohl eher eine Beschäftigung für Kinder war. Wobei die Enten mittlerweile sowieso von den Kanadagänsen vertrieben wurden, die sich oft angriffslustig in die Brust warfen und mit lang gestrecktem Hals auf einen zustürmten.
    »Vielleicht sollten wir uns einen Hund zulegen«, sagte Carry unvermittelt.
    »Sowas hast du noch nie erwähnt.«

    »Einen Cockerspaniel. Die sind nicht zu groß, aber auch nicht so klein, dass sie ständig kläffen … Möchtest du mir vielleicht erzählen, was dir so zusetzt?«
    »Wenn du einen Hund
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