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Blankes Entsetzen

Blankes Entsetzen

Titel: Blankes Entsetzen
Autoren: Hilary Norman
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gesehen hatten – die Beratungsstelle für Auslandsadoptionen.
    »Pass aber auf, was du ihnen erzählst«, ermahnte Tony sie. »Sag ihnen, dass du dich zunächst mal nur erkundigen willst.« Er verstummte, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Was ist?«
    »Nichts«, sagte Joanne. »Nur dass du ›du‹ gesagt hast, und nicht ›wir‹.«
    Tony lächelte leutselig. »Du kümmerst dich darum, Jo. Im Augenblick jedenfalls.« Er hielt inne. »Es ist dir doch nicht zu viel, oder?«
    »Natürlich nicht«, sagte Joanne schnell.
    Sie nahm ihn beim Wort, begann Fragen zu stellen und erhielt mehr Antworten und Unterstützung, als sie es je für möglich gehalten hätte – auch wenn jedes Steinchen Hilfe sich unter einem gigantischen Berg von Informationen zu verbergen schien.
    »Es ist sehr viel zu lesen«, sagte sie an einem Wochenende zu Tony.
    Er blickte auf die Stapel Broschüren, Fotokopien und Computerausdrucke aus dem Internetcafé, das Joanne in der Mittagspause inzwischen regelmäßig aufsuchte.
    »Ich kann mit diesem ganzen Mist nichts anfangen«, sagte er.
    »Das ist kein Mist. Da steckt unsere Chance drin, Eltern zu werden.«
    Er lachte und sagte, sie höre sich an, als hätte sie eins der Bücher heruntergeschluckt, die sie gelesen hatte. »Das Ergebnis, Joanne«, sagte er. »Alles andere interessiert mich nicht.«
    Also machte Joanne weiter, bis alle ihre anfänglichen Fragen beantwortet waren, bis ihr Kopf gefüllt war mit Hunderten von Fakten über die praktischen und ethischen Aspekte »zwischenstaatlicher« Adoptionen – Tausende von Fakten, Warnungen vor Konflikten und Fallen, die es zu meiden galt, Entscheidungen, die getroffen werden mussten, Formulare, die auszufüllen waren.
    »Nein!« Tony sprach mit allem Nachdruck. »Das machen wir nicht noch einmal durch.«
    »Wir müssen, Tony.« Ihre Erleichterung war bereits verschwunden. »Das ist doch klar.«
    »Für mich ist nur eins klar. Dass wir großartige Eltern wären.«
    »Aber davon müssen wir erst noch die Behörden überzeugen«, argumentierte Joanne.
    »Und die werden von meinen Vorstrafen erfahren, und dann sind wir wieder genau da, wo wir angefangen haben.« Tonys Gesicht rötete sich. »Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, Jo. Wir sind bereit, einem kleinen hoffnungslosen Kind aus irgendeinem gottverlassenen Land zu helfen, und das war’s.«
    »Aber so einfach ist es nun mal nicht.« Joanne kämpfte gegen die Tränen.
    »Das muss es aber sein«, sagte ihr Mann. »Oder wir können die Sache vergessen.« Er stand auf; sein Gesicht war röter, die Augen härter. »Du willst es doch! Also findest du auch einen Weg.« Er war bereits auf halbem Weg zurück zur Küchentür. »Geh wieder ins Internet. Such jemanden, der versteht, was wir wollen.« Er hielt inne. »Wenn du willst, dann sag, dass wir dafür bezahlen.«
    »Bezahlen?«, fragte sie erschrocken. »Für ein Baby? Das ist doch furchtbar.«
    »Nicht wenn’s funktioniert.«
    »Wir haben nicht genug Geld.« Joanne konnte kaum glauben, dass sie das gesagt hatte.
    »Finde heraus, wie viel es kosten würde.« Tony öffnete die Tür. »Wenn es nicht zu viel ist, zahle ich. Ich bin nicht geizig, Joanne.«
    »Das weiß ich, aber …«
    »Finde es heraus, Joanne. Oder wir lassen das Ganze.«
    Sie wollte schon aufgeben, als sie auf die Website eines Adoptions-»Fachmanns« stieß, der behauptete, legitime Verbindungen zu Agenturen auf drei Kontinenten zu haben, und der sich auf Paare spezialisiert hatte, die sich vom »System« verlassen fühlten – wegen ihres Alters, ihres sozialen Status oder anderer irrelevanter und oft kleinlicher Umstände.
    Das wäre zu einfach, dachte Joanne und versuchte, ihre Aufregung unter Kontrolle zu halten, als sie die E-Mail-Adresse auf der Website anklickte – sie tat schließlich nicht mehr, sagte sie sich, als ihre Zehen ins Wasser zu stecken.
    Und das war warm und sehr angenehm, wie sich herausstellte, und trat ihr in Gestalt einer skandinavischen Ärztin namens Marie Jenssen gegenüber. Eine Dame mittleren Alters, die Joanne erklärte, sie sei im Auftrag der internationalen Operation für die britischen »Zugänge« zuständig. Sie schien nichts anderes zu wollen als Tony und Joanne zu helfen, sich ihren Herzenswunsch zu erfüllen und einem notleidenden Kind ein neues Leben zu ermöglichen.
    Bei Dr. Jenssen gab es keine langen Gespräche, und es war nur ein Minimum an Formularen auszufüllen; lediglich ein Treffen im Café eines Hotels am Russell
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