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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Gregg Hurwitz
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Donnerstag ungefähr.«
    »Können Sie nicht schon eher jemand schicken?«
    »Vielleicht. Aber nächster Donnerstag ist der erste Termin, den wir garantieren können.«
    Unter exzellentem Service hatte ich mir etwas anderes vorgestellt.
    »Hören Sie«, sagte ich. »Es geht einfach nicht, dass ich im Moment überhaupt kein Telefon habe.«
    »Dann war es vielleicht keine so gute Idee, Ihre Telefonrechnungen vier Monate lang zu ignorieren?«
    »Sagen Sie, habe ich da eigentlich ein Callcenter in Indien erwischt?«
    Eine kurze Pause, dann sagte er: »Oh, verstehe. Andrew Danner. Sie waren anderweitig verhindert.«
    Doch während ich vor Gericht durch mildernde Umstände meine Freiheit wiedererlangt hatte, ließ sich meine Telefongesellschaft von keinem Argument erweichen. Serg blieb ungerührt, also klappte ich schließlich mein Handy zu, schaltete meinen Computer aus und ließ mein Büro in Frieden.
    Mein Schlafzimmer erzählte seine eigene Geschichte, die Geschichte von Aprils Abgang. Tür angelehnt. Zurückgeworfene Bettdecken. Ein paar von meinen Toilettenartikeln auf der Ablage im Bad waren umgefallen, als sie hastig ihre Wochenendtasche zusammenpackte. Ein rosa Rasierer in der Dusche, den sie übersehen hatte. Vielleicht würde ich es später bei ihr versuchen, um der guten alten Zeiten willen. Bei ihrem hektischen Aufbruch hatte April auch eine ihrer Socken neben dem Waschbecken verloren.
    Wir waren noch in der allerersten romantischen Phase unserer Beziehung gewesen. April war eine Orthopädin mit klaren, hübschen Gesichtszügen und einem ausgeglichenen Temperament, das ich neidvoll ihrem Aufwachsen im Mittleren Westen zuschrieb. Sie hatte mich behandelt, nachdem ich mir beim Ballspielen in Balboa Park das Schlüsselbein gebrochen hatte. Ihr fester Medizinergriff, die Mischung aus Fürsorge und Verstand, die Nähe unserer Gesichter, als sie mit meinem Arm probeweise diese und jene Bewegung durchführte – ich hatte einfach keine Chance gehabt. Wir waren erst drei Monate zusammen gewesen, voller Pläne, die viel zu jugendlich schienen für zwei Achtunddreißigjährige. Gutenachtanrufe. Im Bett Eis aus der Packung essen. Alte Filmklassiker in Schwarz-Weiß und Fabrocini-Pizza. Ab und zu übernachtete sie bei mir, nur so zur Übung. Und dann der brutale Mord.
    Damit waren diese Leichtigkeit und Hoffnung dahin, die ich eigentlich nie wieder zu erleben erwartet hatte, nachdem Geneviève und ich vor einem halben Jahr ratlos getrennte Wege eingeschlagen hatten. Oder, nach den Worten der Staatsanwaltschaft und den Nachrichtensprechern, unsere bitteren, rachsüchtigen Wege.
    Ich hob Aprils Socke auf und spürte schon, wie die Gefühle wieder in mir hochkamen, aber dann beschloss ich, dass ich mir nicht gestatten würde, wegen eines Strumpfes in Tränen zu zerfließen. Also stellte ich meinen Tumor auf das Nachtkästchen, machte das Bett und setzte mich dann auf die Decke, um darüber nachzudenken, was für eine Art Einsamkeit uns jetzt erwartete. Mich und meinen Tumor.
    Während mein Blick an dieser Masse brauner Zellen hängenblieb, schweiften meine Gedanken wieder zu Geneviève, ihrem grauenvollen Tod, meiner noch grauenvolleren Verwicklung in dieses Verbrechen. Sie hatte ihrem Geschmack, ihren Aussprüchen immer einen Hauch Exotik zu verpassen gewusst, was auf mich unwiderstehlich gewirkt hatte. Eigentlich fand ich fast alles an ihr attraktiv. Die Endgültigkeit ihrer Urteile. Die Sicherheit ihrer Leidenschaften. Sie war eine füllige Frau, mit dicken Oberschenkeln und Hüften, fühlte sich jedoch erfrischend wohl – nein,
selbstbewusst
 – in ihrem Körper und mit dem, was sie mit ihm anstellen konnte. Meine Erinnerungen an sie bestanden zum Großteil aus einer Palette von Gefühlen. Die Weichheit einer Wange, die über meine Brust streicht. Spuren von Petite Cherie auf meinem Kopfkissen. Schweißperlen auf ihrem Alabasterrücken. Ihr Gesicht, wenn sie schlief – so weich wie das eines Kindes. Alles an ihr war weich, und sie hatte auch keine Tage, an denen sie irgendwie schlechter ausgesehen hätte. Es ist viel schwieriger, eine Abneigung gegen eine Frau zu entwickeln, an der alles weich ist. Oder sie müsste sich um einiges hässlicher verhalten. Aber während ich noch eine Weile gebraucht hätte, um so weit zu kommen, preschte sie voraus und hasste ihre Launen so sehr, dass es für uns beide reichte. Ich war verliebt in sie, aber im Grunde war ich am verliebtesten in die Tatsache, dass ich sie über Wasser
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