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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Gregg Hurwitz
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waren drei Flaschen Wasser und ein Riegel Zartbitterschokolade, den April zur Hälfte aufgegessen hatte. Ich ging zum Küchenschrank und holte das Saftglas und die weiße Schüssel, die ich vorhin weggestellt hatte, wieder heraus. Ich stellte sie auf die Arbeitsplatte und starrte sie an, als erwartete ich, dass sie gleich anfingen zu sprechen.
    Frühstück am dreiundzwanzigsten September.
Meine letzte Erinnerung, bevor ich im Krankenhaus wieder aufwachte.
    Ich konnte nicht verhindern, dass mein Blick zu den Messern wanderte, die dort in dem hölzernen Messerblock standen. Ganz tief irgendwo in meinem Bauch rührte sich eine düstere Neugier, die sich wie eine blau brennende Flamme anfühlte. Wie wenn einem nach zweistündigem Lauftraining ein zwanzig Jahre alter Scotch ins Blut schießt. Ich trat vor den Messerblock und erriet beim ersten Versuch, wo das Filetiermesser steckte. Ich wog es in der Hand, fühlte den Schaft. Bisher hatte ich die Messer vielleicht vier- oder fünfmal benutzt. Warum also hatte meine Hand das Filetiermesser so leicht gefunden?
    Eine ganze Weile starrte ich meine Hände an, dann mein Gesicht im Spiegel über der Spüle – ein Typ mit einem Messer in der Hand und einer Narbe im Haaransatz. Der Anblick ließ mich schaudern.
    Nachdem ich meinen Humidor inspiziert hatte, ging ich auf die Veranda, setzte mich mit den Füßen auf dem Geländer in einen Liegestuhl und rauchte eine Zigarre bis zu ihrer gelb gesprenkelten Bauchbinde. Mein einzig verbliebenes Laster. Abgesehen vom Schreiben.
    Falls ich jemals wieder schreiben würde.
    Die Nacht war dunkel und januargemäß beißend. Die Leute vergessen immer, wie kalt L.A. im Winter werden kann – der Wind vom Pazifik, von Santa Ana, wütende Regenfluten mit halbherzigen Blitzen, wie ein Monsun mit Verstopfung, der sich Erleichterung verschaffen will.
    Ein schöner Ausblick heilt jeden Kummer. Ein schöner Ausblick gibt einem das Gefühl, etwas zu besitzen, das größer ist als man selbst, als würde einem auf diesem Planeten ein Ort wirklich gehören.
    Ich betrachtete das funkelnde Valley zu meinen Füßen. Es sah aus wie ein Ozean, nur hübscher, denn es war ein Meer aus Lichtern, und es war Bewegung und Leben, und es erlaubte mir, allein zu sein und doch verbunden mit tausend Menschen in tausend Häusern mit ihren tausend Geschichten, von denen viele noch trauriger waren als meine. Die Sepulveda, die Straße, die Richtung Norden verläuft, mitten in die demographischen Katastrophen. Van Nuys – nur aus der Ferne schön, wo die Mexikaner werktags am Morgen Fußball spielen und sich vor dem Anstoß bekreuzigen, als kümmere sich Gott um das Ergebnis eines verkaterten Spiels. Die 405 , ein kurviger Wasserfall aus weißen Vorderscheinwerfern. Die Ventura, die in östlicher Richtung verläuft, vorbei an Stundenmotels mit glamourösen Studionamen, wo die Freier kaputte Straßenkinder hinschleppen oder auch umgekehrt. Und der Cahuenga-Pass, wo die City wartet, eine unersättliche und unergründliche Geliebte, die sich mit einem Sphinxlächeln auf einem Neonbett räkelt, mit zerschmetterten Träumen unter ihren Tatzen.
    Ich schloss die Augen und machte in Gedanken eine Tour durch das Hollywood der Hippen und der Möchtegernhippen, der Kulturkonsumenten, die Markennamen in großen Lettern auf ihrem Nickisamt-Arsch spazieren tragen. In Gedanken folgte ich dem General-Motors-Oldsmobile mit Arkansas-Nummernschild, der sich nicht um das Gehupe hinter ihm scherte und weiterhin mit Schrittgeschwindigkeit über den Boulevard fuhr, während sich die Köpfe der Insassen auf beachtlichen Südstaatennacken drehten. Vorbei an schwarzen Kids, die auf umgedrehten weißen Eimern saßen und Rat-tat-tat-tat brüllten, vorbei an sich schälenden deutschen Nasen, dem klebrigen Geruch von Sonnencreme, dem giftigen Smog, den Silberringen in bronzefarbenen Bauchnabeln, den Reklametafeln von Gap mit den Popköniginnen in Schlapphüten, und dann die Straße hinauf ins richtige Hollywood, wo die Nutten über ihrer Kotze knien und die Junkies vor den Eingängen herumstolpern, sich an den Schultern kratzen und sich ihr Gutenachtliedchen vormurmeln,
das wird schon wieder, das wird schon wieder.
    Durch die ganzen Comedy Clubs, in denen Ehemänner aus Wichita über Jesus-Witze lachen, obwohl die Hausfrauen sie mit verkniffenem Mund von der Seite ansehen, wo die Amateure sich durch ihre Vorstellungen schwitzen und wo vielleicht, aber auch nur vielleicht, irgendein großer
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