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Blackout

Blackout

Titel: Blackout
Autoren: Jonathan Kellerman
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Gesicht des jüngsten Opfers, deutlich zu erkennen.
    Hickle stand für den personifizierten Mißbrauch von Kindern. Und er verursachte mir Alpträume.
    Dieser Mann hatte einen einzigartigen Zugang zu kleinen Kindern. Seine Frau, eine koreanische Waise, die er als Gl in Seoul kennengelernt hatte, leitete einen erfolgreichen Kinderhort im wohlhabenden Stadtviertel Brentwood. ›Kim’s Körner‹ hatte einen guten Ruf als eine der besten Tagesstätten, wo man seine Kinder lassen konnte, wenn man arbeiten oder spielen oder einfach allein sein wollte. Sie war schon an die zehn Jahre bekannt, als der Skandal offenbar wurde, und trotz der eindeutigen Beweise gab es genug Leute, die sich einfach weigerten, zu glauben, daß diese Kindertagesstätte als ›sturmfreie Bude‹ für die pädophilen Neigungen eines Sittenstrolchs gedient hatte.
    Es war ein hübscher, zweistöckiger Bau gewesen, in einer ruhigen Wohnstraße, nicht weit von der UCLA entfernt. Und dort waren tagsüber nicht selten mehr als vierzig Kinder untergebracht, wobei die meisten aus wohlhabenden Familien stammten. Ein Großteil von Kim Hickles Schützlingen waren sehr kleine Kinder gewesen, weil sie eine der wenigen Kinderhort-Leiterinnen war, die auch Kleinkinder aufnahm, welche noch nicht auf die Toilette gingen.
    In dem Haus gab es einen Keller - eine Seltenheit im Erdbebengebiet -, und die Polizei hat danach eine beträchtliche Zeit in dem feuchten, höhlenhaften Raum verbracht. Sie fand eine alte Armeepritsche, einen Kühlschrank, eine rostige Spüle und eine Photoausrüstung im Wert von mindestens fünftausend Dollar. Der Pritsche wurde besondere Aufmerksamkeit gewidmet, denn sie lieferte eine ganze Reihe faszinierender gerichtsmedizinischer Beweise: Haare, Blut, Schweiß und Samenflüssigkeit. Die Medien warfen sich mit vorhersehbarer Gier auf den Fall Hickle. Das war eine saftige Angelegenheit, bei der mit den Urängsten gespielt und Erinnerungen an den schwarzen Mann aus der Kinderzeit geweckt wurden. In den Abendnachrichten im Fernsehen sah man Kim Hickle, die versuchte, einem Mob von Reportern zu entfliehen, die Hände vor dem Gesicht. Sie behauptete, von alledem nichts gewußt zu haben. Es gab auch keine Beweise ihrer Komplizenschaft, daher schloß man zwar den Kinderhort und entzog Kim die Lizenz, beließ es aber dabei. Sie reichte die Scheidung ein und verschwand in eine unbekannte Gegend.
    Ich zweifelte allerdings an ihrer Unwissenheit. Immerhin hatte ich genug von solchen und ähnlichen Fällen gesehen, um zu wissen, daß die Frauen von Kinderschändern nicht selten eine Rolle spielten, sei es heimlich oder ganz offen, wenn es darum ging, eine derartige Tat in die Wirklichkeit umzusetzen. Meistens waren das Frauen, die Sex und körperliche Intimitäten als ekelhaft verabscheuten, und um ihren ehelichen Pflichten zu entgehen, halfen sie den Männern, Ersatzpartner zu finden. Es könnte eine kalte, grausame Parodie eines Haremswitzes sein, aber ich hatte einen Fall erlebt, bei dem Pappi seine drei Töchter nach einer Art Fahrplan beschlief, der von Mammi aufgestellt wurde.
    Es war auch schwer zu glauben, daß Kim Hickle oben nichtsahnend mit ihren Schützlingen Lego spielte, während Stuart einige davon unten im Keller mißbrauchte. Nichtsdestoweniger wurde sie nicht weiter belangt.
    Hickle dagegen wurde den Wölfen vorgeworfen. Die Fernsehkameras ließen sich keine Einstellung entgehen. Es gab viele zwischendurch ins Programm eingestreute, kurze Sondersendungen mit den Interviews meiner gesprächigeren Kollegen und mehrere Kommentare über die Rechte der Kinder. Das Trara dauerte zwei Wochen, dann verlor die Story ihre Anziehungskraft und wurde durch Berichte über andere Ungeheuerlichkeiten ersetzt. Denn an häßlichen Geschichten herrscht in Los Angeles kein Mangel. Die Stadt verbreitet ihre Schandtaten wie ein räuberisches Insekt, das bluthungrige Larven ausspeit.
     
    Man zog mich erst drei Wochen nach Hickles Festnahme zu Rate. Es war jetzt schon eine Story auf den hinteren Seiten der Zeitungen, und jemand machte sich erstmals Gedanken über die Opfer.
    Denn die Opfer litten.
    Die Kinder wachten mitten in der Nacht schreiend auf. Kleinkinder, die schon sauber waren, begannen wieder, sich naß zu machen und zu beschmutzen. Früher ruhige, verträgliche Kinder fingen damit an, andere und sogar Erwachsene ohne Herausforderung zu schlagen, zu kratzen und zu beißen. Man berichtete von Magenbeschwerden und unklaren körperlichen Symptomen,
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