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Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)

Titel: Black Box BER: Vom Flughafen Berlin Brandenburg und anderen Großbaustellen. Wie Deutschland seine Zukunft verbaut (German Edition)
Autoren: Meinhard von Gerkan
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Allenfalls bei Grundsteinlegungen, ersten Spatenstichen, Richtfesten und Gebäudeübergaben bekommt man den öffentlichen Bauherrn noch persönlich zu Gesicht. Wenn man ihn darüber hinaus anspricht oder -schreibt, ist er meistens nicht auffindbar oder existent. Ein für das Verhalten dieser Spezies typischer Fall ist die Reaktion auf mein Schreiben an den Aufsichtsratsvorsitzenden des Berliner Flughafens nach dem Erhalt unserer fristlosen Kündigung. Darin bot ich unsere weitere Hilfe an, damit die Fertigstellung des Flughafens zügig vorangehe. Die Antwort auf meinen Brief ließ nicht nur einen Monat auf sich warten, sie beschränkte sich auch auf die dreizeilige Mitteilung, dass man dafür nicht zuständig sei, ich möge mich bitte an die Geschäftsleitung des Flughafens wenden! Dort wurden wir mit dem Hinweis auf das Klageverfahren zurückgewiesen. So sollte die Rolle eines Bauherrn gerade nicht ausgeübt werden.
    Dass bei Großprojekten, die sich über längere Zeiträume hinziehen, und Aufträgen der öffentlichen Hand alle Beteiligten in einer schwierigen Lage sind, ist keine Frage. Als Architekt hat man es potenziell mit häufig wechselndenBauherren zu tun, seien es nun Politiker, deren Horizont sich zumeist auf die Dauer einer Legislaturperiode erstreckt, oder Konzernvorstände, die das Unternehmen womöglich vor Fertigstellung des Baus verlassen. Ein Beispiel: Die Planung und Realisierung des Berliner Hauptbahnhofs nahm insgesamt 14   Jahre meines Architektendaseins in Anspruch! Alle Personen, mit denen ich dabei auf Bauherrenseite zu tun hatte, wurden in diesem Zeitraum teils mehrfach ausgetauscht. So arbeitete ich unter anderem mit drei Bahnvorständen zusammen, deren sehr entschieden vorgebrachte Vorstellungen sich mitunter diametral widersprachen. Man kann sich leicht ausrechnen, dass personelle Wechsel nicht zur allgemeinen Stabilisierung, Effizienz und Kostenbeschränkung beitragen, von zeitweiligen Unübersichtlichkeiten der Zuständigkeiten ganz zu schweigen. Außerdem zählt Bauen nicht zum eigentlichen Metier dieser Bauherren. Das löst auf ihrer Seite Verunsicherung, häufig Misstrauen gegenüber den Planungs- und Baubeteiligten aus, werden sie doch von ihren Unternehmen oder der Öffentlichkeit für nicht mehr beherrschbare Kosten und Termine zur Verantwortung gezogen. Abstimmung, Dialog und ein steter Kommunikationsfluss sind daher unabdingbar. Fehlt es dazu an Bereitschaft oder geht dies schief, können die Folgen fatal sein   –   auf der geschäftlichen, aber auch auf der persönlichen Ebene.
    Der selbstbewusste, verantwortliche, interessierte und engagierte Bauherr ist zu einer seltenen Figur geworden. Ichmöchte aber ebenso wenig verleugnen, dass er mitunter   –   auch bei öffentlichen Bauherren   –   noch existiert. Unter uns Architekten genießt er demzufolge gewissermaßen Artenschutz.
    »Renaissance der Bahnhöfe. Die Stadt im 21.   Jahrhundert«, Ausstellungseröffnung 1996 in Venedig mit Ponton auf dem Canal Grande
    Als Beispiel für eine aktive Bauherrenbegleitung der Architektur möchte ich noch einmal den Berliner Hauptbahnhof heranziehen. Höchster Bauherr für gmp war von 1991 bis 1997 der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn Heinz Dürr. Heinz Dürr lernte ich kennen und schätzen für seine schnelle Auffassungsgabe, seine Neugier, seinen Mut zum Wagnis, seine Verlässlichkeit   –   alles Eigenschaften, die ihn zu einem perfekten Bauherrn für Architekten machten, denn er übernahm das, was häufig fehlt: Bauherrenkompetenz. Heinz Dürr stand der riesigen Organisation Deutsche Bahn vor und steuerte das Schiff mit viel Eingebung und Weitsicht   –   auch dies Tugenden, von denen Architektur profitiert. Mein Vorschlag, 1996 auf der Biennale in Venedig eine Ausstellung mit dem Titel »Renaissance der Bahnhöfe« zu zeigen, traf bei ihm sofort auf Zustimmung. Zur Ausstellungseröffnung auf der Insel Giudecca fuhr ein Schiff mit der von gmp neu entworfenen Bahnsteigüberdachung für etwa siebzig teils historische Bahnhöfe über den Canal Grande. Welch eine Begeisterung für Architektur muss diese Entscheidung getragen haben?

Kreativität statt Architektur auf Bestellung
    Unser Modell der Gesellschaft und der Wirtschaft basiert auf einer gewissen Konformität, Messbarkeit und damit Vergleichbarkeit und Ersetzbarkeit von Abläufen, Dingen und sogar Menschen. Die Architektur, eine der vier klassischen Künste, lässt sich nur teilweise in dieses Schema
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