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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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wenn ich Sie und Ihre Gäste störe.«
    Frau von Stein, die Gattin des Hausherrn, in dessen Villa am Berliner Stadtrand sich die kleine Gesellschaft einmal im Monat zum Kartenspielen traf, sah auf. »Was gibt es, Heinrich?«
    Der Hausdiener näherte sich mit zögernden Schritten. »Polizeibeamte. Sie wünschen Frau Geheimrat zu sprechen.«
    »Polizei, mich? Das ist seltsam.« Sophie Ursinus legte die Whistkarten auf den Tisch und erhob sich mit einem entschuldigenden Lächeln zu ihren drei Mitspielerinnen. Vor einem Wandspiegel ordnete sie ihr Haar. »Es kann sich nur um ein Missverständnis handeln, meine Damen. Sicherlich bin ich gleich zurück.«
    Ein Zivilbeamter und zwei Uniformierte erwarteten sie im Vorzimmer, ein weiterer im Flur. Der Mann in Zivil neigte den Kopf zum Gruß und ergriff das Wort: »Frau Geheimrat Ursinus, Sie werden des Giftmordes bezichtigt. Folgen Sie uns nach draußen. Eine Kutsche wird Sie in das Kriminalgefängnis bringen.«
    »Giftmord?« Sie spürte, wie ihr jeder Blutstropfen aus dem Kopf wich.
    Wochen vergingen, Monate. Endlose, zermürbende Verhöre, in denen Sophie Ursinus stets vehement leugnete, wessen man sie bezichtigte. Dann war der Tag der Prozesseröffnung gekommen. Mordversuch und heimtückischer Mord, so lautete die Anklage vor dem Berliner Kammergericht. Giftmord in drei Fällen, immer mit derselben Substanz, Arsenik. Im Juli 1797 sollte sie den holländischen Offizier Ragay, ihren Geliebten, aus Rache um ihre verschmähte Liebe vergiftet haben, vier Jahre später, am 24. Januar 1801, ihre Tante Christiane Sophie Regine Witte und im September des Vorjahres ihren um viele Jahre älteren Gatten Theodor.
    »Geben Sie diese Taten zu?«, donnerte der hagere Untersuchungsrichter.
    Alle Augenpaare richteten sich auf Sophie, suchten, ergründeten, ob diesem hübschen und vornehmen Weibe derartige Taten zuzutrauen waren. Sie hingegen hob nur den Kopf mit dem prachtvollen schwarzen Haar, das sie unter einer Spitzenhaube verborgen hielt, und erwiderte die Blicke kühl.
    »Nein. Ich habe mir nichts vorzuwerfen«, erwiderte sie beherrscht. »Herr Ragay war damals schon länger kränklich und erlag - Gott habe ihn selig - der Lungenschwindsucht. Mein Gatte, dem ich herzlich zugetan war, starb völlig überraschend, nachdem er am Vorabend, seinem Geburtstag, über Unwohlsein geklagt hatte. Allerdings äußerte er in den Monaten zuvor des Öfteren, er werde wohl bald das Zeitliche segnen.« Sie schnäuzte sich in ihr weißes Taschentuch und rang sichtlich um Fassung.
    Der Richter beugte sich vor. »Sie meinen, Ihr Gatte hätte Vorahnungen gehabt? Ihre Dienerschaft beteuerte, der Herr Geheimrat wäre an seinem Geburtstag sehr vergnügt gewesen und hätte einen stabilen Eindruck gemacht. Aber gut, dürfte sich wohl nicht mehr eindeutig beweisen lassen«, erwiderte er. »Zurück zum Abend des 10. September. Warum schickten Sie nicht nach einem Arzt?«
    »Das ist das Einzige, was Sie mir vorwerfen können, Herr Richter«, räumte sie mit treuherzigem Augenaufschlag ein und blickte in die Runde. »Aber vergessen Sie bitte nicht, dass ich am nächsten Tag gleich drei Doktoren rufen ließ, nachdem das stärkende Elixier, das ich ihm darreichte, keine Wirkung zeigte. Als mein Gatte starb, waren Herr Medizinalrat Formay, Dr. Bremer und Herr Chirurg Laube bei ihm.« Sie warf den drei Ärzten, die sie auf der Zeugenbank erkannt hatte, ein zartes Lächeln zu. »Ich bin den Herren noch heute überaus dankbar für ihr rasches Erscheinen.«
    Laube nickte ihr aufmunternd zu. Er war jahrelang Theodors und ihr Hausarzt gewesen. Offensichtlich war er ihr noch immer zugetan. Wie gut zu wissen, nicht alle Freunde verloren zu haben, durchfuhr es Sophie und sie vertiefte ihr Lächeln noch ein wenig.
    »Ich frage mich allerdings«, fuhr der Richter fort, »warum Sie zwei Wochen vor dem Tod Ihres Mannes Arsenik - angeblich zur Rattenbekämpfung - gekauft haben. Hatten Sie Ungeziefer im Haus?«
    Im Gerichtssaal wurde es so still, dass Sophie hören konnte, wie der Wind mit den Fensterläden spielte. »Ja. Jedenfalls von Zeit zu Zeit. Deshalb hatte ich stets etwas Gift, mit Mehl vermischt, vorrätig im Haus.«
    »Ihr Hausdiener sagte aus, es habe bei Ihnen niemals Ratten gegeben.«
    Sie schlug die Augen nieder.
    »Kommen wir zu Christiane Witte«, der Richter hob die Stimme. »Ist es richtig, dass Ihre Tante Ihnen ein beträchtliches Vermögen hinterließ, als sie am 24. Januar 1801 verstarb?«
    Durch die bis auf
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