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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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den Kopf. »Nicht ganz!«
    »Die Herzogin hat die Schokolade mit einer unzuträglichen Substanz präpariert - ich habe es ihr auf den Kopf zugesagt und sie vor der Strafe des Himmels gewarnt.« Er wedelt sich mit seinem Taschentuch Luft zu. »Und nun behauptet sie, ich sei verrückt, schuld an unwahren Gerüchten, die seitdem über sie kursierten.« Er ringt nach Luft. »Sie dreht einfach den Spieß um und sagt, ich hätte Mademoiselle Lecouvreur mit einer Hostie vergiften wollen, um von ihrer Stiftung zu profitieren! Glauben Sie mir«, er hebt die Hand, »es war die Herzogin, die mir nahegelegt hat, diese schändliche Tat zu begehen! Und sie hat mir als Lohn eine lebenslängliche Pension von 6000 Franken in Aussicht gestellt! Ich habe mich standhaft geweigert, ich schwöre es bei Gott!« Er seufzt tief auf. »Obwohl ich das Geld wirklich sehr notwendig gebraucht hätte!«
    Silva ist völlig verwirrt. »Ich kann nicht glauben, dass eine Standesperson wie die Herzogin von Bouillon sich so weit vergisst und eine Rivalin aus Eifersucht vergiftet!«
    Der Abbé nickt. »Doch, ich bin davon überzeugt - die Schokoladenkugeln waren präpariert! Ich wollte Mademoiselle Lecouvreur vor der Vorstellung noch warnen, davon zu essen. Doch die Zofe ließ mich nicht zu ihr.«
    Der Wärter nähert sich mit grimmiger Miene und die beiden müssen die Unterhaltung abbrechen. »Sprechen Sie zu niemandem über diese Geschichte«, bedeutet Silva dem Abbé mit leiser Stimme, »wir werden die Untersuchungen des Apothekers abwarten. Ich gehe gleich zu ihm. Wenn wir das Resultat wissen, setze ich mich für Ihre Freilassung ein.«
    Der Apotheker empfängt den Arzt mit ernster Miene. Er hat seine Analyse beendet und erklärt, keinerlei bekannte giftige Substanzen in den Süßigkeiten des Geschenkkorbs gefunden zu haben. Eins der Präsente, eine mit violettem Samt ausgeschlagene Schachtel, sei jedoch leer gewesen. »Es liegt die Vermutung nahe, dass Mademoiselle Lecouvreur die Pralinen, die darin waren, gegessen hat«, schließt er seinen Bericht. »Was sie enthielten, ist leider nicht mehr festzustellen!« Doktor Silva bedankt sich bei Maître Geoffroy und kehrt bedrückt und ratlos zu seiner Kranken in die Rue des Marais Saint Germain zurück. Dort ist alles in heller Aufregung. Silva erfährt zu seiner großen Überraschung, dass während seiner Abwesenheit ein angeblich guter Freund und Kollege namens Professor Blanc, Spezialist für Darmerkrankungen, bei Adrienne war und ihr in seinem, Silvas, Auftrag einen reinigenden Einlauf verabreicht habe. Doktor Silva kennt keinen Professor Blanc und hat noch nie von ihm gehört. Er befürchtet das Schlimmste, denn man berichtet ihm auch, dass sich Adriennes Zustand verschlechten hat, nachdem der mysteriöse Professor ihr Zimmer verlassen hat.
    Der Marschall von Sachsen, den er über das seltsame Geständnis des Abbes verständigt, ist außer sich. »Ich werde sie zur Rede stellen, diese Megäre, diese Bestie«, stößt er hervor, zwischen Kummer und Zorn hin- und hergerissen, »und wenn sie schuldig ist, erwürge ich sie mit meinen eigenen Händen!« Er stürmt hinaus und wirft sich in seine Kutsche. »Zur Herzogin von Bouillon!«, ruft er dem Diener zu, bereit, sich den Zugang zu ihr auch mit Gewalt zu erzwingen. Doch der Diener öffnet ihm wie gewohnt die Tür - Madame de Bouillon befinde sich im Schlafzimmer. Sie streckt ihm die Arme entgegen: »Moritz, endlich! Begleiten Sie mich heute Abend in die Comédie?«
    Angewidert von so viel Falschheit, weicht er zurück.
    »Ich hörte, man musste die Besetzung ändern«, säuselt die Herzogin unschuldig und mit einem ihm teuflisch scheinenden Lächeln aus dem Alkoven ihres Bettes heraus, »Eure teure Freundin leidet wohl an einer Indisposition?«
    Moritz beherrscht sich nur mit Mühe. »Ihr habt versucht, sie zu vergiften, Louise. Und ich werde Euch anzeigen!«, sagt er so kühl wie möglich.
    »Aber das ist doch lächerlich!« Sie springt auf, wirft sich ihm an den Hals. »Moritz, glaubt Ihr wirklich, ich wäre zu einem Mord fähig? Ich liebe Euch, aber ich schwöre bei allen Heiligen, niemals ...«
    »Schwört nicht!« Der Marschall packt sie grob bei den weißen Schultern, die er so oft geküsst hat, und stößt sie von sich. »Der Abbé Bourret ist mein Zeuge.«
    »Der Abbé, dieser Dummkopf?« Sie lacht hysterisch auf. »Er lügt - ist nicht bei klarem Verstand. Er hat mir angeboten, Mademoiselle Lecouvreur gegen eine jährliche Pension eine
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