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Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Bitterer Nachgeschmack - Anthologie

Titel: Bitterer Nachgeschmack - Anthologie
Autoren: Claudia Senghaas , Iny Lorentz
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gerötetes Gesicht. »Ist sie noch bei Bewusstsein?«, fragt er und fährt, ohne eine Antwort abzuwarten, rasch fort: »Ich bin gekommen, um ihr die Heilige Kommunion zu geben und ihre Beichte zu hören! Ganz nebenbei gesagt, sie hat mir vor langer Zeit eine Stiftung versprochen. Ich benötige nur noch ihre Unterschrift.« Er zieht mit zitternden Händen einen Zettel aus der Tasche. »Wenn du mir dabei hilfst, Marie, und ihre Hand mit der Feder führtest, spränge ein hübsches Sümmchen dabei für dich heraus. Und ich könnte dir eine neue Anstellung vermitteln, falls«, er räuspert sich, »der traurige Fall einträte ...«
    »Dem Himmel sei Dank, dass es Mademoiselle Lecouvreur besser geht«, unterbricht ihn Marie, »aber verraten Sie mir doch, warum Sie neulich so aufgeregt waren - ich meine, wegen des Geschenkkorbes? War etwas ... Schlechtes darin? Ist sie davon krank geworden?«
    »Das geht dich gar nichts an!«, fährt der Abbé erregt auf. »Und jetzt melde mich bitte deiner Herrin!«
    Marie tut, was ihr aufgetragen ist. Sie lauscht heimlich an der Tür, vernimmt aber nur undeutliches Gemurmel. Der Abbé verlässt schon nach kurzer Zeit das Krankenzimmer, er wirkt verwirrt und niedergeschlagen. »Ich danke dir, Marie«, murmelt er und drückt ihr ein Geldstück in die Hand. »Ich werde Paris in den nächsten Tagen verlassen und mich aufs Land zurückziehen. Gott behüte dich.«
    Doktor Silva, der inzwischen das restliche Gebäck, die gefüllten Bonbons und Pastillen des Geschenkkorbes seinem Freund, dem Apotheker Geoffroy, zur genauen Untersuchung gebracht hat, findet Adrienne bei seiner Rückkehr aufgelebt und heiter vor. Sie ist zwar noch sehr schwach, kann aber das Bett bereits für eine Weile verlassen. Ihre Pläne für ein Diner, das sie für ihre Freunde geben will, um ihre glückliche Genesung zu feiern, werden von allen mit Erleichterung aufgenommen. Aber noch während der Vorbereitungen für das kleine Fest verschlechtert sich Adriennes Zustand plötzlich wieder.
    Nach einer weiteren unruhigen Nacht am Bett der Kranken überbringt ein Bote aus dem Gefängnis Saint Lazare einen an Doktor Silva gerichteten Brief. Der Arzt öffnet ihn verwundert.
    ›Monsieur, kommen Sie, so schnell es geht. Ich kann im Fall Lecouvreur nicht länger schweigen. Es geht um Gift. Man hat mich verhaftet und eingesperrt. Abbé Bourret. ‹
    Der Arzt verliert keine Zeit und begibt sich auf schnellstem Wege nach Saint Lazare. Der Abbé Bourret, in einer Einzelzelle des Gefängnisses untergebracht, befindet sich in einem völlig aufgelösten Zustand. »Gott sei gedankt, dass Sie hier sind, Doktor«, stammelt er und bedeutet ihm, so nahe wie möglich an das Gitter heranzutreten. »Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, was ich tun soll. Mein Gewissen befiehlt mir, die Wahrheit zu sagen«, beginnt er hastig und mit einer zum Flüstern gesenkten Stimme, »obwohl die Herzogin von Bouillon mir gedroht hat, mich für verrückt erklären zu lassen, wenn ich etwas verrate. Sie selbst hat nämlich meine Festnahme veranlasst!«
    »Ja, aber - was sollten Sie denn verraten? Sie kann sie doch nicht ohne Grund einsperren lassen?«
    »Oh, doch! Die Herzogin hat ausgezeichnete Beziehungen zu Kardinal Fleury, dem Ersten Minister. Aber der Herr im Himmel würde mich strafen, wenn ich ein so dunkles Geheimnis für mich behielte.« Er bekreuzigt sich mehrere Male. »Ich will Ihnen alles erzählen - dann werden Sie wissen, wovon ich spreche.«
    Doktor Silva nickt. Er ahnt nur vage, worauf der Abbé hinaus will.
    »Als ich das letzte Mal ins Palais der Herzogin kam, um ihr die Beichte abzunehmen, musste ich warten, weil sie beschäftigt war«, beginnt der Abbé. »Ich sah einen prächtigen Geschenkkorb der Confiserie Charlôt im Salon stehen und war sehr erstaunt, als die Zofe mir erzählte, dass er ein Geschenk für die Schauspielerin Mademoiselle Lecouvreur sei - die erbittertste Rivalin der Herzogin.«
    »Nun, vielleicht wollte sie sich ja mit ihr versöhnen!«, wendet der Arzt ein.
    Der Abbé lacht wie irr auf: »Das glauben Sie? Kurz nach mir erschien der Apotheker Geoffroy persönlich, um der Herzogin ein Fläschchen mit Medizin zu bringen. Die Zofe flüsterte mir zu, ihre Herrin täte sehr geheimnisvoll, hätte Kakaopulver aus der Küche verlangt, um die berühmten Schokoladenkugeln Maître Charlôts damit zu bestreuen, weil sie angeblich durch das warme Wetter unansehnlich geworden waren. Verstehen Sie?«
    Der Mediziner schüttelt
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