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Bitterer Chianti

Bitterer Chianti

Titel: Bitterer Chianti
Autoren: Paul Grote
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und kehrte um. Doch niemand ging im Haus des Winzers ans Telefon. Frank wählte die Nummer von Palermos Handy – und erreichte nur die Mailbox.
    Frustriert und total erledigt schleppte er sich wieder nach oben und warf die Weste, Jeans, das durchgeschwitzte Hemd und die Unterwäsche achtlos auf den Boden, ging ins Bad und nahm eine Aspirin. Er blickte in den Spiegel, betastete vorsichtig das geschwollene Kinn, dann stieg er in die Dusche, drehte das Wasser auf, kauerte sich unter den Wasserstrahl, legte die Arme um die Knie, beugte den Kopf nach vorn und schloss die Augen. Während ihm das lauwarme Wasser über den Körper rann, konnte er sich endlich entspannen.
    Die Dusche tat gut, Frank kam langsam zu sich, die Schmerzen ließen nach. Termine ließen sich neu arrangieren, auch die Kamera und das Objektiv waren letztlich ersetzbar. Allerdings waren zwei belichtete Filme weg und damit die Arbeit des Vormittags auf der Podere Il Palazzino in der Nähe von Gaiole zum Teufel. Dort musste er nochmal hin. Eine Ausrede dafür ließe sich bestimmt finden.
    Nachdem Frank sich rasiert und frisch eingekleidet hatte, ging er zur Polizei. In Castellina war alles nah, auch das Kommissariat. Dem Dienst tuenden Carabiniere, einem jungen Mann in gepflegter Uniform und mit pomadisiertem Haar, schilderte Frank die Ereignisse des Nachmittags. Doch je länger das Gespräch dauerte, desto mehr verstärkte sich sein Eindruck, dass sein Gegenüber ihm misstraute; das Gespräch wurde zum Verhör, nahm geradezu feindselige Züge an, besonders nachdem Frank erwähnt hatte, wo in Castellina er wohnte.
    Eine Frage, die ihm hier zwangsläufig gestellt wurde, klang so, als sei ihm daraus ein Vorwurf zu machen: «Wieso sprechen Sie so gut Italienisch?»
    «Mein Vater war bei einer deutschen Firma beschäftigt, in Turin, und ich bin auf eine italienische Schule gegangen.»
    «Wie lange?»
    «Mein Gott, ist das wichtig?»
    «Das überlassen Sie bitte mir.»
    «Sechs Jahre lang», sagte Frank und ärgerte sich bereits, dass er hergekommen war.
    «Sie sagten, die Täter fuhren einen Geländewagen?»
    «Ja, das sagte ich bereits.»
    Der Carabiniere zog die Stirn in Falten, da er merkte, dass Frank seine Autorität nicht ernst nahm. «Wenn Sie angeblich gesehen haben wollen, dass einer der Männer ein Fernglas in der Hand hatte», fuhr er schärfer fort, «dann hätten Sie auch das Fabrikat des Autos erkennen müssen.»
    «Das kann man nur, wenn man die Marken kennt. Mich interessiert das nicht. Bis vor einigen Jahren waren sie eckig, heute sind sie rund, ob BMW, Mitsubishi oder irgendein Franzose, alles dasselbe, das ist Mode ...»
    «Design», korrigierte der Carabiniere, «nicht Mode. Welche Farbe hatte das Fahrzeug?»
    «Was weiß ich? Grau, dunkel auf jeden Fall, Blau vielleicht, Schwarz – ich weiß es nicht mehr. Gelb auf keinen Fall, auch nicht Grün ...»
    «Sie wollen Fotograf sein und erinnern sich nicht mal an die Farbe?»
    «Bei Gegenlicht sehen Sie nichts, sie kneifen die Augen zusammen, die Sonne stand flach, Gegenlicht eben, wie der Name sagt, es blendet. Außerdem war ich mindestens hundert Meter entfernt. Ist das hier ein Verhör?»
    «Die Fragen stelle ich! Tutto chiaro, ist das klar? Vorhin haben Sie gesagt, Sie wüssten nicht, wie weit Sie entfernt waren.»
    «Ich hab’s nicht gemessen ...»
    Der Carabiniere zögerte, fixierte Frank böse mit zur Seite geneigtem Kopf. «Kommen Sie sich eigentlich nicht lächerlich vor? Sie nennen mir weder Fabrikat noch Farbe, noch liefern Sie eine vernünftige Beschreibung der angeblichen Täter. Italiener, die englisch sprachen? Amerikaner mit italienischem Akzent?»
    «Sie haben da was durcheinander bekommen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.»
    Der Carabiniere schnitt Frank mit einer Handbewegung das Wort ab. «Und die sollen Sie niedergeschlagen haben? Erzählen Sie mir eine andere Geschichte.»
    «Sie müssen sich schon mit der hier begnügen.»
    «Sie sagen, die Männer seien nebeneinander heraufgekommen. Da hatten Sie Zeit, sich die Gesichter einzuprägen, und mir wollen Sie weismachen, Sie würden die beiden nicht wiedererkennen?» Der Carabiniere kniff argwöhnisch die Augen zusammen. «Schwarze Anzüge? Grotesk, völlig absurd, kein Mensch läuft so rum.»
    Frank wurde das Gefühl nicht los, dass der Carabiniere partout nicht überzeugt werden wollte, außerdem schielte er ständig zu dem Fernseher in der Ecke. Soeben hatte eine dieser Shows begonnen, in denen Laura auftreten
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