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Bitter Love

Bitter Love

Titel: Bitter Love
Autoren: J Brown
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sonst.
    Als er zu dem Bild kam, wo Mom am Straßenrand steht und sich die Blume über den Kopf hält, lachte er leise in sich hinein und berührte es mit dem Finger.
    »Wo war das, Dad?«, fragte ich. »Welcher Berg ist das?«
    Er streichelte den Berg im Hintergrund. »CheyenneMountain«, sagte er. »Bei Colorado Springs. Da haben wir unsere Flitterwochen verbracht.«
    Cheyenne Mountain.
    »Sie hat immer gesagt, in den Bergen hätte sie sich zum letzten Mal wirklich
ganz
gefühlt.«
    »Wollte sie deswegen zurück? Weil sie sich nach eurer Hochzeitsreise zurückgesehnt hat?«
    Gott, das konnte doch nicht sein, dachte ich. War sie ums Leben gekommen, bloß weil sie aus lauter Sentimentalität wieder in die Berge wollte?
    Er schüttelte den Kopf und klappte das Album zu. »Alex«, sagte er und sah mir tief in die Augen, »eure Mutter war geisteskrank. Und nachdem ihr Mädchen geboren wart, ging es ihr immer schlechter. Ihr Denken war verdreht. Sie hat gesagt, sie liebt euch so sehr, dass jedes Mal etwas in ihr zusammenbricht, wenn ihr weint. Sie war davon überzeugt, keine gute Mutter zu sein.«
    »Ich versteh das nicht«, sagte ich. »Warum Colorado? Wieso dieser Heiler? Das ergibt doch keinen Sinn.«
    Dad schüttelte den Kopf. »Nein, tut es wirklich nicht. Er hat ihr eingeredet, sie müsste einfach nur zurück an den Ort, an dem sie sich zum letzten Mal ganz bei sich gefühlt hat, dann würde es ihr besser gehen und sie könnte eine gute Mutter für euch Mädchen sein. Das klingt verrückt und das war es auch. Aber sie hat ihm geglaubt.«
    In mir begann sich alles zu drehen. Sie hatte uns gar nicht verlassen wollen. Im Gegenteil, sie war gerade wegen uns weggegangen,
für
uns. Sie hatte zurückkommen wollen, gesünder als vorher. Sie hatte Heilung gesucht, um uns besser lieb haben zu können.
    Und ich musste mir die Frage stellen, wie anders das letzte Jahr wohl gewesen wäre, wenn ich das gewusst hätte. Wie anders mein ganzes Leben verlaufen wäre. Warum hatte mir Dad das nicht früher gesagt? Warum hatte er seinen eigenen Kummer nicht überwinden und mir die eine Sache erzählen können, die ich so dringend hören wollte: dass meine Mutter mich geliebt hatte. Dass ich zählte. Dass ich wichtig war. Und dass Moms Tod nur ein einziger großer und trauriger Unfall gewesen war.
    Nachdem Dad das Zimmer verlassen hatte, krümmte ich mich auf der linken Seite zusammen, weil die etwas weniger wehtat als die rechte, und weinte. Mom war weg und wir würden sie niemals zurückholen können.
    Aber ich lebte noch. Für mich gab es Hoffnung.

Kapitel 42
    Ich war seit haargenau vier Stunden aus dem Krankenhaus entlassen und wieder zu Hause, da rief er auf meinem Handy an.
    Die ersten Anrufe ignorierte ich. Zitternd lag ich unter der Decke und fühlte mich zurückversetzt an jenen Abend. Ich ignorierte auch, was er mir auf die Mailbox sprach.
    Aber er ließ nicht locker. Alle paar Minuten rief er an, dauernd poppte seine Nummer auf dem Display auf. Er war nicht mehr im Gefängnis. Er war wieder zu Hause.
    Bei diesem Gedanken lief es mir kalt den Rücken hinunter.
    Doch ich war auch neugierig. Nach allem, was passiert war, war ich immer noch neugierig. Und ich überlegte, wie furchtbar das alles für ihn gewesen sein musste. Wie furchtbar es wahrscheinlich immer noch war. Würde Cole vor Gericht kommen? Wäre mein Vater dabei? Würde er Coles Familie verklagen?
    Am Ende des Tages wurde ich weich. Als er anrief, ging ich dran.
    »Alex«, sagte er mit gedämpfter Stimme, als hielte er den Mund dicht an die Muschel. »Meine Emily Dickinson.«
    Sonst sagte er nichts. Ich sagte auch nicht. Ich saß nurda und hörte das Surren der Telefonleitung, das sich zwischen uns ausdehnte.
    Da wurde mir klar, dass Neugier nicht reichte. Ich   … hatte ihm einfach nichts zu sagen. Nicht mehr.
    »Gott, es tut mir so furchtbar leid«, seufzte er schließlich. Da nahm ich das Handy vom Ohr, drückte den Anruf weg, schaltete es aus und legte es in meine Nachttischschublade.
    Und dort blieb es.

Epilog
    Wir warteten ein Jahr. Ein Teil der Zeit war nötig, damit meine Wunden verheilen und meine Knochen wieder stark werden konnten   – und um mich auszusöhnen mit den Narben in meinem Innern, die mir für immer bleiben würden. Ein Teil der Zeit galt alltäglichen Dingen   – ich versuchte, zurückzukehren in ein normales Leben, so gut das eben ging nach dem, was ich erlebt hatte. Und einen Teil der Zeit war ich unterwegs, um über meine Geschichte
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