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Bitte Zweimal Wolke 7

Bitte Zweimal Wolke 7

Titel: Bitte Zweimal Wolke 7
Autoren: Jutta Wilke
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die Fensterscheibe. »Kim, bitte, das ist nicht witzig«, flüstere ich in mein Handy.
    »Das ist auch kein Witz, sondern eine ernst zu nehmende Frage«, antwortet meine allerbeste Freundin. »Ich habe mich entschlossen, ein Referat über Leberwurst zu schreiben, und bin gerade mit der Recherche beschäftigt.«
    »Du schreibst ein Referat über Leberwurst?«, kreische ich. Erst als ich merke, wie mein Nachbar zusammenzuckt und einige Mitreisende interessiert die Köpfe zu mir drehen, füge ich etwas leiser hinzu: »Mensch, Kim, verarschen kann ich mich allein.«
    »Süße, ich habe eben die Gummibärchen befragt, und sie raten mir dringend dazu, mit dir zusammen an einem solchen Projekt zu arbeiten. Das Ergebnis können wir bei den
Green Fighters
vorlegen oder du kannst das später in Bio bei dieser Weißherbst verwenden …«
    »Müller-Thurgau«, unterbreche ich Kim.
    »Ach, ist doch egal. Wichtig ist nur, dass du weißt, wie Leberwurst hergestellt wird. Wer Vegetarier sein will, sollte wissen, wovon er spricht, sagt Laotse, also, woraus wird sie gemacht?«
    Wenn Kim den chinesischen Philosophen Laotse zitiert, ist schluss mit lustig. So gut kenne ich meine Freundin inzwischen. Aber woraus wird Leberwurst eigentlich hergestellt?Keine Ahnung. Vorsichtig schiele ich auf das Tischchen meines Nachbarn. Dort liegt immer noch das stinkende Butterbrot.
    »Aus Schwein?«, rate ich.
    »Richtig. Und zwar aus ziemlich viel Schwein«, antwortet Kim. »Was denkst du, welche Teile vom Schwein verwendet werden?«
    Und jetzt endlich kapiere ich, was Kim von mir will. Von wegen Referat über Leberwurst. Ich kann nicht verhindern, in mein Handy zu kichern.
    »Nicht lachen, die Lage ist ernst«, sagt Kim. »Also, welche Teile?«
    »Keine Ahnung.« Ich zucke mit den Schultern. »Schweinebauch vielleicht?«
    »Richtig! Los sprich mir nach: richtig fetter wabbeliger Schweinebauch.«
    Ich muss mir auf die Lippen beißen, um nicht laut loszuprusten. »Richtig fetter wabbeliger Schweinebauch«, nuschele ich schnell in mein Handy.
    »Wenn es was nützen soll, musst du lauter sprechen. Was noch außer Schweinebauch?«
    »In Leberwurst ist noch mehr drin als wabbeliger Schweinebauch?«, frage ich jetzt so laut wie möglich und werfe dabei einen Blick auf den Bauch neben mir.
    »Ja, nämlich Rückenspeck und vor allem gequirltes Kopffleisch.«
    »Igitt«, entfährt es mir. Aber dann besinne ich mich wieder auf meine Mission und wiederhole brav: »Also außer denGewürzen natürlich und dem Salz besteht Leberwurst tatsächlich aus wabbeligem Schweinebauch, viel Rückenspeck und vor allem gequirltem Kopffleisch? Habe ich das richtig verstanden?«
    Aus den Augenwinkeln beobachte ich, wie mein Nachbar sein Brot sinken lässt. Mehrere Mitreisende starren ihn bereits an.
    »Kim, eine Frage noch. Das Kopffleisch, wird das mit oder ohne Ohren gequirlt?«, rufe ich in mein Handy.
    Mein Nachbar stopft die Brotreste hektisch zurück in seine Plastiktüte und schiebt sie wieder unter den Sitz. Dann quält er sich mühsam hoch. »Ich brauche mal einen Kaffee, ist ja noch ganz schön weit bis Hannover.«
    »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Du bist ein Schatz, Kim. Ich freu mich auf dich!« Ich lege auf.
    Das Zugbistro befindet sich in Wagen neun. Das sind acht Wagen hin und acht Wagen zurück für meinen Leberwurstnachbarn. Plus der Zeit für mindestens einen Kaffee würde ich jetzt sicher eine gute Stunde Ruhe vor ihm haben. Ich ziehe mein Lieblingsbuch aus dem Rucksack, mache es mir gemütlich und fange an zu träumen … Ich stelle mir vor, dass ich von einer langen Vortragsreihe nach Hause komme. In ganz Deutschland war ich unterwegs und habe Diavorträge über die Arbeit meines berühmten Mannes und Umweltforschers Stefan Reuter gehalten, während dieser sich unter Einsatz seines Lebens dem Schutz der Ozeane gewidmet hat und im Golf von Mexico gegen die Ölpest kämpfte. Stefan wird michmit nacktem Oberkörper an der Wohnungstür empfangen. Er war gerade dabei, die letzten Spuren von Maschinenöl und Schweiß von seinem Körper zu waschen. Er wird mich, die Frau an seiner Seite, in seine starken Arme nehmen, dann wird er mich hochheben und zu unserem breiten Wasserbett tragen. Dort öffnet er die Knopfleiste von meinem khakifarbenen Safarikleid, langsam, Knopf für Knopf, bis ich es vor Ungeduld kaum noch aushalte. Ich streichele seinen muskulösen Brustkorb und sein Stöhnen …
    »Der Ausstieg befindet sich in Fahrtrichtung rechts.«
    Die Durchsage
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