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Bitte Zweimal Wolke 7

Bitte Zweimal Wolke 7

Titel: Bitte Zweimal Wolke 7
Autoren: Jutta Wilke
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die Unterlippe, um nicht loszuheulen.
    »Ach, meine Große!« Mama breitet die Arme aus und will mich an sich drücken. »Lass doch deinen Vater und seine Anna. Wir zwei machen uns schöne Ferien. Du wirst sehen, dass es dir auf Mallorca gefällt. Und dein Vater wird schon merken, was er davon hat, dass er mit dieser Tussi zusammenzieht.«
    Fast wäre ich darauf hereingefallen. Aber als Mama
Tussi
sagt, fällt es mir wie Schuppen von den Augen. »Papa hat gar nicht angerufen, um mich auszuladen, oder?«, frage ich und ziehe die Nase hoch.
    Mama rührt intensiv in ihrer Tasse. Keine Antwort ist auch eine, denke ich und dann kann ich mich nicht mehr beherrschen.
    »Ich fahre nach Hamburg in den Sommerferien, ob dir das passt oder nicht!«, brülle ich. »Und mir ist es ganz egal, ob diese Anna bei Papa einzieht oder nicht. Du willst nämlich nur nicht, dass ich zu Papa fahre, weil du eifersüchtig bist. Weil du Angst hast, ich könnte Papas neue Freundin besser finden als dich! Und wer weiß, vielleicht tu ich das sogar!« Jetzt kann ich meine Tränen nicht länger zurückhalten. »Vielleicht hat sie nämlich mehr Zeit als du. Oder kann wenigstens kochen!«
    »Es reicht!« Meine Mutter knallt ihre Tasse auf den Tisch.
    »Mir reicht es schon lange!«, fauche ich zurück. »Ihr denkt immer nur an euch, nie fragt mal einer danach, wie es mir geht. Meine Ferien, meine Pläne, meine Freunde, das ist euch doch alles vollkommen egal! Ich habe keinen Bock auf dein beschissenes Malle mit Ballermann und Rentnerklub. Ich fahre am Samstag nach Hamburg zu Papa. Und wenn er mich nicht haben will, dann fahre ich eben zu Kim!« Wütend renne ich aus der Küche und knalle die Tür hinter mir zu. Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und krieche ins Zelt. Am liebsten würde ich jetzt Kim anrufen, aber dann fällt mir ein, dass mein Handy noch in der Schule liegt. Ich presse mir mein Kopfkissen an den Bauch und schlucke meine Tränen herunter.

»Vergiss nicht, mir eine SMS zu schicken, wenn du in Hamburg angekommen bist. Dein Vater will am Bahnsteig warten. Lauf bitte nicht weg, falls er nicht pünktlich sein sollte. Grüß deine Freundin Kim von mir. Und denk dran: Kein Alkohol, keine Drogen, kein …«
    Die letzten Worte meiner Mutter gehen im Zischen der sich schließenden Türen unter. Endlich setzt sich der Zug in Bewegung. Hamburg, ich komme! Ich schnappe meinen Rucksack, klemme mir die Zeltwurst unter den Arm und versuche, meinen Rollkoffer durch die Schiebetür in den Großraumwagen zu zerren. Wer diese Dinger konstruiert hat, ist vermutlich noch nie mit Gepäck verreist. Leise fluchend quetsche ich mich und meine Taschen durch den schmalen Gang. Wenigstens bleibe ich vom Umsteigen verschont. Dafür muss ich jetzt irgendwie das ganze Zeug in die Gepäckablage bugsieren, die mehr für Damenhandtaschen als für Koffer gedacht ist. Weiter hinten im Wagen nehme ich eine Gruppe Jugendlicher wahr, die mir interessiert bei meinem Versuch zuschaut, das Zelt neben die Tasche zu stopfen. Während ich mich auf Zehenspitzen balancierend abmühe,das Zelt so zu platzieren, dass es mich nicht bei der erstbesten Gelegenheit erschlägt, spüre ich, wie mein T-Shirt höher rutscht und den Blick auf meinen nackten Bauch freigibt. Mist. Anzügliches Gepfeife irgendwo aus den hinteren Reihen. Ich halte die Luft an und ziehe den Bauch ein, als sich der Zug in eine Kurve legt und ich völlig undamenhaft in die Arme des Mannes falle, der neben dem von mir reservierten Fensterplatz sitzt.
    »Na, na, nicht so stürmisch«, brummt er.
    »’tschuldigung.« So schnell wie möglich schiebe ich mich von seinem Schoß und warte darauf, dass er aufsteht und mich auf meinen Platz lässt. Aber anscheinend ist der Herr schwer von Begriff. Von oben kann ich sehen, dass er seine ziemlich langen, dafür aber nur noch spärlichen Haarsträhnen kunstvoll über den kahlen Hinterkopf gekämmt hat. Eine penetrante Duftmischung aus Haarspray und Rasierwasser steigt mir in die Nase.
    »Ähm … das da ist mein Platz.« Ich zeige auf den Fensterplatz und da fällt bei ihm der Groschen und er quält sich aus seinem Sitz.
    Was ein wenig schwierig ist, weil sein Bauch hinter dem schmalen Tisch festklemmt. Dann kann ich endlich an ihm vorbei und lasse mich erschöpft auf den Sitz fallen.
    »Wo soll’s denn hingehen, junge Dame?« Mit einem Keuchen sinkt mein Nachbar zurück ins Polster. Offensichtlich ist er hocherfreut über jede Abwechslung und nicht gewillt, mich so
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