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Bitte Zweimal Wolke 7

Bitte Zweimal Wolke 7

Titel: Bitte Zweimal Wolke 7
Autoren: Jutta Wilke
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schnell vom Haken zu lassen.
    »Nach Hamburg«, erkläre ich und starre angestrengt aus dem Fenster. In der Ferne erkenne ich den Frankfurter Messeturm. Ansonsten nur schmutzige Gebäude. Die glänzende Skyline, für die Frankfurt so bekannt ist, versinkt im Sommersmog.
    Ich fahre gerne mit dem Zug aus der Stadt heraus. Von Minute zu Minute wird die Gegend grüner und die tristen Fassaden verschwinden am Horizont. Es fühlt sich an, als ob man einen grauen Mantel einfach von den Schultern streift.
    »Schade, ich fahre nur bis Hannover«, höre ich meinen Sitznachbarn murmeln.
    Ich stöhne innerlich auf. Bis Hannover. Das sind mehr als drei Viertel der Strecke. In gut vier Stunden werden wir in Hamburg sein und drei davon soll ich neben diesem Kerl aushalten? Unmöglich. Vorsichtig wende ich den Blick vom Fenster ab und schaue den Gang hinunter. Vielleicht finde ich einen anderen freien Platz. Aber der Zug ist fast voll und über den noch wenigen freien Plätzen leuchten die Reservierungsschildchen. Es hilft alles nichts, ich muss wohl oder übel mit meinem Sitznachbarn auskommen. Zu blöd.
    Als meine Mutter sich nach unserem Streit letzte Woche wieder beruhigt hatte, klopfte sie irgendwann an meine Zimmertür. »Komm, lass uns wie zwei erwachsene Frauen miteinander reden.«
    Das war ihre neueste Masche und ich fiel schon lange nicht mehr darauf herein.
Wie zwei erwachsene Frauen
bedeutetein ihren Augen nur, dass sie redete wie ein Wasserfall und ich gefälligst den Mund halten und ihr zuhören sollte. Aber den Gefallen tat ich ihr nicht, schließlich hatte ich sie durchschaut. Deshalb ließ ich sie vor der verschlossenen Zimmertür stehen und rief ihr nur zu, dass ich noch Hausaufgaben zu erledigen hätte. Doch am Abend fielen mir mein Handy und die Geschichte mit der Müller-Thurgau wieder ein, also musste ich klein beigeben und doch aus meinem Zimmer herauskommen. Die Gelegenheit hätte nicht günstiger sein können. Meine Mutter war das personifizierte schlechte Gewissen. Deshalb schüttelte sie über meine Biolehrerin nur den Kopf und versprach, am nächsten Tag bei meiner Schule vorbeizufahren und mir mein Handy zurückzuholen. Da es so gut lief, beschloss ich, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, und erzählte ihr noch von meiner Fünf in Latein. Darüber war sie dann allerdings alles andere als begeistert. Genau wie mein Vater einige Tage später. Da waren sich meine Eltern dann seit Langem mal wieder einig. Sie vereinbarten, dass ich meine Ferien in Hamburg verbringen und am Tauchkurs teilnehmen durfte, dass aber täglich eine Nachhilfestunde Latein mit auf dem Programm stand.
    Kim war zuerst entsetzt, als ich ihr von dem Telefongespräch und der Erpressung erzählte.
    »Vielleicht sieht der Nachhilfelehrer ja ganz süß aus«, versuchte sie, mich zu trösten.
    »Süß? Jemand, der Lateinnachhilfe gibt, kann aussehen, wie er will, der wird niemals süß sein!«, jammerte ich, abernatürlich konnte auch Kim mir nicht helfen. Nicht mal ihr Angebot, während der Nachhilfe ganz oft bei uns anzurufen, um den Unterricht zu verkürzen, tröstete mich. Mir war klar, dass mein Vater solche Unterbrechungen gar nicht erst zulassen würde. Aber dann dachte ich an Stefan und die Welt sah schon wieder besser aus.
    Seit Kim mir von dem Tauchkurs erzählt hat, bekomme ich sein Bild nicht mehr aus dem Kopf. Ich bin gespannt, wie er jetzt aussieht.
    Ob er sich noch an mich erinnert? Ich lehne mich zufrieden zurück, als mir plötzlich ein intensiver Geruch in die Nase steigt. Entsetzt starre ich auf den Klapptisch neben mir: Leberwurst! Mein Nachbar hat gerade zwei dick damit bestrichene Brotscheiben ausgewickelt und schon einmal herzhaft abgebissen.
    »Vom Tschugfahren kriege isch immer tscho Hunger«, nuschelt er durch den Essensbrei.
    Auch das noch. Genervt schließe ich die Augen. Was zu viel ist, ist zu viel. Ich ziehe mein Handy aus der Hosentasche und schicke eine Not-SMS an Kim. Hoffentlich liest sie meinen Hilferuf und hat eine Idee. Ich kann mich ja schlecht für die nächsten vier Stunden auf dem Klo einschließen.
    »Willscht du auch einsch?«
    Angewidert starre ich auf das Brot vor meiner Nase. Aber zum Glück erlöst mich das Klingeln meines Handys aus diesem Vegetarieralbtraum. Energisch schiebe ich die Hand meines Nachbarn zur Seite und drücke das Telefon ans Ohr.
    »Aus was wird Leberwurst hergestellt?«, flötet es in mein Ohr.
    Wie bitte? Ist Kim jetzt völlig durchgeknallt? Ich lehne meinen Kopf gegen
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