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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr
Autoren: Ambler
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überblicken, ohne die Halle durchqueren zu müssen.
    Es waren einige soeben eingetroffene Hotelgäste da, die sich gerade eintragen ließen oder darauf warteten, eingetragen zu werden, und vor dem Empfangstisch drängten sich die Leute. Keiner von ihnen war mir bekannt oder sah auch nur im mindesten so aus wie jemand, der einen erfahrenen Empfangschef hätte einschüchtern können.
    Jules tat, als studiere er seine Übersichtstafel mit den darauf vermerkten Zimmerbestellungen, die hinter dem Tresen der Rezeption an der Wand hing, und selbst aus einiger Entfernung konnte ich sehen, daß er in einem schockartigen Zustand war. Ich warf einen weiteren ausgiebigen Blick in die Runde und bahnte mir dann mit den Ellenbogen einen Weg zu ihm, wobei ich die empörten Blicke seiner beiden Assistenten glatt übersah. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. Es war, als hätte er seine Verhaftung erwartet. Ergeben lehnte er sich gegen die Wand, bevor er sich umdrehte.
    Er war in den Sechzigern. Doch jetzt, grau im Gesicht und schwitzend, gab man ihm über achtzig und wenig Chancen auf ein längeres Leben. Als er mich erkannte, hob er fahrig die Hände und fing an, lau gegen mein Eindringen zu protestieren. Ich schnitt ihm das Wort ab.
    »Hören Sie auf zu jammern. Wo sind sie?«
    »Es ist nur einer, der Mann von drei sechsundzwanzig. Aber …«
    »Name?«
    »Dopff. Er sitzt da drüben in der Ecke bei dem großen Blumenarrangement und beobachtet uns. Ich beschwöre Sie, Mr. Firman, bitte …«
    Ich hörte mir nicht erst an, was er mich zu tun oder auch zu lassen beschwor, sondern drehte mich um und ging auf den Mann zu.
    Mein Gedächtnis für Namen und Gesichter ist gut, sehr gut, aber es hat Grenzen. Ich konnte mich erinnern, daß jemand namens Dopff als Seminarteilnehmer gebucht hatte und daß er aus Luxemburg war, aber ich entsann mich nicht, welchen Beruf er hatte. Das konnte nur eines bedeuten: Was immer er war – Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Banker, Amateur-Steuervermeider oder Beauftragter einer Regierung –, man hatte ihn als potentiellen Klienten überprüft und dann festgestellt, daß er dafür nicht in Frage kam.
    Im Näherkommen erkannte ich ihn; er war der ältere Mann, der vor etwa einer Stunde in der Mitte der dritten Reihe gesessen und meinen einführenden Worten für den Hauptreferenten mit verzückter Aufmerksamkeit gelauscht hatte. Er war mir aufgefallen, teils weil er sich für meine rituelle Aufzählung der Qualifikationen des Sprechers – sie waren alle in dem offiziellen Programm, das er in der Hand hielt, gedruckt aufgeführt – tatsächlich zu interessieren schien, aber vor allem deswegen, weil er ein ständiges Lächeln zur Schau trug. Sein Lächeln, das hatte ich später bemerkt, als wir alle den Konferenzraum verließen, war eine optische Täuschung, die sich verflüchtigte, wenn man in seine Nähe kam. Sie wurde hervorgerufen durch die Kombination einer wie ein accent circonflexe geformten Oberlippe mit einem Mund voller großer, sehr weißer Zähne von jener Sorte, die an ein billiges künstliches Gebiß denken läßt, auch wenn es keines ist.
    Er zeigte sie mir jetzt, als ich auf ihn zutrat; nur war dies kein illusorisches Lächeln; es war ein unverschämt triumphierendes Grinsen. Hätte ich nicht dringend erfahren müssen, wer er wirklich war, was er wollte und welche Art von Bedrohung er darstellte, ich wäre schnurstracks an ihm vorbei- und weitergegangen, um des bloßen Vergnügens willen, das Resultat in dem Spiegel an der angrenzenden Wand beobachten zu können. Statt dessen nahm ich Zuflucht zur Höflichkeit. Die wahrhaft massiven einschlägigen Floskeln alter Schule ermöglichen es einem, seine Wut loszuwerden, ohne daß der Gegenstand dieser Wut das ganz merkt. Er mag es vermuten, doch sicher ist er nicht. Mit einigem Glück fühlt er sich unbehaglich, kann es einem aber nicht übelnehmen.
    Leider verfängt diese Angriffstaktik bei so selbstgerechten Menschen wie Krom nie wirklich.
    Die gemeinsame Sprache in unseren Seminaren ist immer Englisch gewesen, daher redete ich ihn auf englisch an.
    » Mr. Dopff, is it? Ich höre, Sie wünschen mich zu sehen.«
    Zu dem Grinsen gesellte sich ein unverfrorenes Anstarren. »Nein, Mr. Firman, das ist es keineswegs, was ich wünsche. Ich habe Sie bereits gesehen, deutlich und unverkennbar. Das war in Zürich, vor fünf Jahren, als Sie sich Oberholzer nannten.«
    »Mein Name ist Firman, Sir.«
    Er fuhr fort, als hätte ich nichts gesagt. »Ich
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