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Bitte keine Rosen mehr

Bitte keine Rosen mehr

Titel: Bitte keine Rosen mehr
Autoren: Ambler
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deutsch schreibt, es seinerseits vorzieht, seine Entdeckung mit Der kompetente Kriminelle zu apostrophieren, sprach er aus Rücksicht auf die Mehrheit seiner mehrsprachigen Zuhörerschaft bei dieser Gelegenheit englisch. Nachdem er die Wendung ›Able Criminal‹ erstmals von einem Vortragspult aus laut ausgesprochen hatte, fuhr er fort:
    »Ich spreche hier, meine Freunde, keineswegs vom Meisterverbrecher seligen Angedenkens, diesem berückenden Produkt erzählerischer Phantasie des neunzehnten Jahrhunderts, das Amateurdetektiven so häufig zum Opfer fiel, sondern von einem zeitgenössischen Mitbewohner dieser realen Welt.
    Vom Kompetenten Kriminellen, sei er männlichen oder weiblichen Geschlechts, darf angenommen werden, daß er einen hohen Intelligenzquotienten besitzt, emotional stabil und ›gut angepaßt‹ ist, keines der Anzeichen einer defekten Persönlichkeit aufweist, von denen behauptet wird, sie seien für den herkömmlichen ›kriminellen‹ Typus charakteristisch, und keinem der vielberedeten und -publizierten Verbrechersyndikaten angehört, die den Romantikern in einigen unserer Strafverfolgungsbehörden so lieb sind. Er wird diesen Behörden, außer in seiner Rolle als ›ehrbarer Staatsbürger‹ nicht bekannt sein, geschweige denn ihnen verdächtig erscheinen. Er (oder sie, das Geschlecht ist hier ohne Bedeutung) hat keinen erkennbaren und somit auch keinen klassifizierbaren Modus operandi, und sofern nicht Krankheit oder zunehmendes Alter seine Fähigkeiten beeinträchtigen, ist er praktisch nicht faßbar. Unter den diversen Arten von Verbrechen, die er begeht, steht Betrug naturgemäß oben auf der Liste; und doch ist Betrug für gewisse Exemplare der Spezies weder die einzige noch die wesentlichste Erwerbsquelle. Hier in Bern wird es überflüssig sein, Sie daran zu erinnern, daß die Gesetze gegen Steuervermeidung – Vermeidung, nicht Hinterziehung! – in unseren jeweiligen Ländern beträchtlich differieren. In Amerika und England ist Steuervermeidung ein Verbrechen. In der Schweiz nicht. In sehr vielen Winkeln der Welt, an Orten wie Monaco, Grand Cayman, Bermuda und den Neuen Hebriden, gibt es überhaupt keine Einkommenssteuer, die man hinterziehen könnte. Innerhalb der vielschichtigen Komplexitäten internationaler Steuer- und Körperschaftsgesetze sind die Möglichkeiten für den Kompetenten Kriminellen unbegrenzt. Dem Beweismaterial nach zu urteilen, das mir zugänglich war – bedauerlicherweise kein Beweismaterial jener Qualität, auf die sich unsere demokratische Justiz abzustützen beliebt –, umfassen diese Möglichkeiten in großem Stil betriebene, aber strafrechtlich nicht erfaßbare Unterschlagung und Erpressung plus nicht nachweisbare Fälschung ebenso wie Eigentumsdelikte traditionellerer Art, hauptsächlich im Zusammenhang mit hochversicherten Kunstwerken. Ich brauche meinen Zuhörern nicht zu sagen, daß, wo immer es Verbrechen aus Habgier in dieser Größenordnung gibt, früher oder später auch deren unvermeidliche Begleiterscheinungen anzutreffen sind – Gangstertum und Gewalttätigkeit.«
    Krom hatte seinen Vortrag fortgesetzt, um einige der technischen Hindernisse aufzuzählen, die bei der Erforschung der Spezies überwunden werden mußten, und sie mit jenen verglichen, welche den Physikern entgegenstanden, die als erste das Verhalten energiegeladener Teilchen in einem Zyklotron untersuchten.
    »Die Forscher mögen denken , sie wüßten, was darin vor sich geht, aber solange sie keine exakte Möglichkeit ausgeknobelt haben, zu wissen , was vor sich geht, kann niemand beurteilen, ob ihre Vermutungen zutreffen.«
    Betrübt hatte Connell den Vergleich in seiner Doktorarbeit kommentiert: »Professor Krom hätte hinzufügen können, daß, während die Physiker diese und viele noch kompliziertere Probleme längst gelöst haben, wir, die neuen Kriminologen, uns noch immer mit den elementarsten Problemen herumschlagen. Wir haben noch nicht einmal gelernt, Quellenmaterial als solches zu erkennen, selbst wenn wir es vor Augen haben.«
    Dr. Henson hatte sich in The New Sociologist eindeutiger über ihre Schwierigkeiten ausgelassen:
    »Auch mit den besten Forschungsmethoden wird unser Ermittler kaum etwas erfahren, was unser Kompetenter Krimineller geheimzuhalten wünscht. Die Autorin, die sich im übrigen nicht als Ausnahme betrachtet, war beim Datensammeln auf Befragungs- und Erhebungsmodelle angewiesen, bei denen man beide Augen zudrücken mußte, um sie noch als seriös
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