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Bitte Einzelzimmer mit Bad

Bitte Einzelzimmer mit Bad

Titel: Bitte Einzelzimmer mit Bad
Autoren: Evelyn Sanders
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Menschen »mal ordentlich den Wind um die Nase wehen« lassen müssen. Mutsch würde entschieden dagegen sein und ein Verlassen des Elternhauses nur akzeptieren, wenn Tinchen ein paar Straßen weiter ein eigenes Heim nebst dazugehörigem Ehemann vorweisen könnte. Was Karsten sagen würde, war uninteressant. Vermutlich würde er sowieso nichts sagen, lediglich Anspruch auf Tinchens Mansarde erheben und bei dieser Gelegenheit endlich den Lichtschalter reparieren.
    Sonst gab es niemanden, der etwas sagen würde. Seit jener Affäre mit dem Literaturstudenten Jochen, der in Tinchen abwechselnd das anbetungswürdige Gretchen oder die romantisch-verklärte Julia gesehen hatte und die von ihren Schöpfern nur schamhaft angedeuteten Verführungsszenen in freier Interpretation nachempfinden wollte, bis schließlich eine theaterbegeisterte Kellnerin den von Tinchen abgelehnten weiblichen Part übernommen hatte, war sie auf Studenten im allgemeinen und Literaturstudenten im besonderen nicht sonderlich gut zu sprechen. Eine Zeitlang hatte es noch den Flugzeugkonstrukteur gegeben, aber der wollte immer auf zugigen Bergkuppen das aerodynamische Verhalten zylindrischer Röhren studieren und benötigte Tinchen vorwiegend zum Festhalten verschiedener Drähte. Nach dem dritten Schnupfen innerhalb eines Vierteljahres hatte sie es vorgezogen, sonntags doch lieber mit ihrem Bruder ins Kino zu gehen. Da war es wenigstens warm.
    Abgesehen von ihrem Dauerflirt mit Florian Bender gab es weit und breit nichts Männliches, an das Tinchen sich in irgendeiner Weise gebunden fühlte. Rein äußerlich glich Florian durchaus ihrem früheren Leinwandidol Rock Hudson, nur war er weder ähnlich begabt noch ähnlich begütert, und es bestand wenig Aussicht, daß sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändern würde. Mutsch hatte zwar des öfteren angedeutet, daß auch ein kleiner Lokalreporter nicht zu verachten sei und es bei entsprechender Zielstrebigkeit durchaus zu etwas bringen könne, ganz besonders dann, wenn die Frau in den ersten Jahren noch mitarbeiten würde, zumindest so lange, bis die Möbel und das erste Kind da wären. Und weshalb wohl würde der Herr Bender das Tinchen so oft ins Kino einladen und manchmal sogar ins Theater, wenn er nicht ernstere Absichten hätte? Nach Hause gebracht hatte er das Kind auch schon oft genug, sich jedoch leider immer geweigert, hereinzukommen und ein Gläschen zu trinken. Frau Pabst hatte ihn ja auch schon sonntags zum Essen bitten wollen, aber »der ernährt sich doch bloß an der Frittenbude!« hatte Tinchen abgewinkt. Außerdem hatte sie ihrer Mutter verschwiegen, daß Pressekarten immer für zwei Personen gelten und darüber hinaus mit einer entsprechenden Kritik im Tageblatt verbunden waren. Und gestern zur Minna von Barnhelm hatte Flox sie nicht einmal mitgenommen. Statt dessen hatte er die vertrocknete alte Schachtel aus der Buchhaltung eingeladen – lediglich aus Geschäftsgründen, wie er Tinchen versichert hatte. Na ja, wer ewig auf Vorschuß lebt, muß natürlich einen heißen Draht zu maßgeblichen Stellen haben.
    Florian war ja ganz nett, hatte Charme (viel zuviel, wie sich auf dem letzten Betriebsfest herausgestellt hatte, als er dauernd um die kleine Blonde vom Vertrieb herumscharwenzelt war!), aber wer mit dreißig Jahren noch immer Lokalreporter ist, der würde wohl nie nach Höherem streben. Und außerdem würde er dafür sorgen, daß in spätestens drei Tagen die gesamte Redaktion wußte, weshalb aus Barbara ein Tinchen geworden war.
    Sie schloß die Schranktür, klappte ihre Reiseschreibmaschine auf, spannte einen Bogen ein und begann zu tippen:
    Sehr geehrte Herren,
unter Bezugnahme auf Ihr Inserat …

[home]
    Kapitel 2
    D a ist Post für dich!« sagte Herr Pabst, als Tinchen ins Zimmer trat. »Irgend so ein Insektenforscher hat geschrieben. Wird vermutlich Reklame sein oder ein Spendenaufruf zur Rettung der vom Aussterben bedrohten Kakerlaken. Ich wollte den Kram schon in den Papierkorb werfen, aber Karsten ist scharf auf die Marke. Die hat er nämlich noch nicht.«
    »Wo ist denn der Brief?«
    Herr Pabst sah sich suchend um. »Vorhin hat er noch auf dem Tisch gelegen, aber inzwischen hat deine Mutter aufgeräumt. Sie bezeichnete das geordnete Nebeneinander von zwei Rechnungen, einer Bananenschale und einem Bierglas als Chaos und sorgte mit gewohnter Zielstrebigkeit wieder für den makellosen Zustand des Zimmers. Den Brief wird sie wohl mitgenommen haben.«
    Tinchen begab sich in
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