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Bissgeschick um Mitternacht

Titel: Bissgeschick um Mitternacht
Autoren: Franziska Gehm
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Nashorngehege vom Baum gehängt und aus den Lamadecken gewickelt, hatten sie sich vor dem entsetzt blickenden Vampirjäger in die Lüfte geschwungen. Ludo war kurzerhand auf Dakas Rücken gesprungen und Helene auf Silvanias.
    Silvania und Daka flogen dicht über den Dächern der Stadt.
    »Aufpassen, Schornstein!«, rief Ludo und klammerte sich an Dakas Schultern fest, als diese dem Schlot in letzter Sekunde mit einem Schlenker auswich.
    »Schneller!«, rief Helene, die freihändig auf Silvanias Rücken saß und mit den Armen wedelte, als wäre sie am liebsten selber geflogen.
    Es war mitten in der Nacht, aber in der Stadt, die sich unter den vier Freunden ausbreitete, herrschte rege Betriebsamkeit. Offenbar hatten doch einige Bewohner die Katastrophenmeldungen im Radio und Fernsehen oder die Lautsprecherdurchsagen der Polizei gehört und glaubten ihnen – trotz der früheren Warnung vor einem Orkan, der sich auf einmal in Luft aufgelöst hatte. Immer mehr Menschen strömten aus den Häusern. Manche schleppten Sandsäcke, andere hatten ihr wichtigstes Hab und Gut in Koffer gepackt und eilten damit in höher gelegene Stadtbezirke. Polizeiwagen und Feuerwehrautos rasten durch die Straßen. Reporter und Kamerateams drängten sich um den Bindburger Bürgermeister, der sich am Ufer der noch friedlich dahinfließenden Bindau interviewen ließ. Er hatte gelbe Gummistiefel an und machte ein Gesicht, als stünde die gesamte Stadt bereits unter Wasser.
    Die Einwohner von Bindburg waren alle so aufgewühlt und hatten es so eilig, dass keiner von ihnen die vier fliegenden Kinder hoch über ihnen bemerkte. Jeder dachte nur daran, sich, seine Familie und seine Habseligkeiten noch rechtzeitig ins Trockene zu bringen.
    Daka und Silvania sausten mit Ludo und Helene Richtung Süden. Die Gusseisenbrücke, die Ludo in seiner Vision gesehen hatte, befand sich in der Nähe der alten Mühle ganz im Süden kurz vor der Stadtgrenze. Daka hatte den Turbogang eingeschaltet und Ludo musste sich gut festhalten, damit er nicht in einem Vorgarten oder auf einem Balkon landete.
    Silvania flog persönliche Höchstgeschwindigkeit. Ihre lindgrünen Augen tränten. Nicht nur vom Wind, sondern auch vor Anstrengung. Hätte ihr Vater sie so gesehen, er wäre stolz auf sie gewesen. Allerdings hätte er sich in der nächsten Sekunde bestimmt gefragt, wieso seine beiden Töchter mitten in der Nacht Richtung Süden zischten, statt sich in Lamadecken gewickelt und kopfüber hängend zu verpuppen.
    Helene saß jetzt wie ein Bobfahrer auf Silvanias Rücken. Sie hatte den Kopf eingezogen und ging bei jeder Kurve mit. Ihr Vater wäre vermutlich bei dem Anblick kurz vor einem Herzinfarkt gewesen.
    »Ich sehe sie!«, rief Ludo plötzlich.
    »Siehst du hell oder richtig?«, fragte Daka zur Sicherheit.
    »Da vorne! Da ist sie!«, rief Ludo.
    Tatsächlich. Vor ihnen tauchte ein gigantisches dunkles Metallgebilde auf. Es überspannte die Bin-dau wie der gewaltige Arm eines Urzeitwesens.
    Silvania und Daka flogen auf die Brücke zu. Sie landeten am westlichen Brückenende, ließen Helene und Ludo absteigen, stürmten auf die Brücke zu und sprangen über eine Metallkette, die quer über die Brücke gespannt war. An der Kette hing ein Schild: »Zutritt verboten. Einsturzgefahr.«
    Keiner der vier Freunde kümmerte sich darum. Sie wussten, dass sie sich in viel größerer Gefahr befanden.
    »Verteilt euch auf der Brücke«, rief Ludo im Laufen. »Helene ans andere Brückenende, dann Daka, dann ich und dann Silvania.«
    Schnell nahm jeder seine Position ein.
    »Wendet euch Richtung Süden. Von dort kommt die Flutwelle«, fuhr Ludo außer Atem fort.
    Alle drehten sich wie Ludo Richtung Süden und starrten auf den Fluss. Er glänzte schwarz und silbern unter ihnen im Mondlicht.
    »Bitte sag nicht, wir müssen die Flutwelle gleich mit bloßen Händen aufhalten«, sagte Silvania.
    Ludo schüttelte den Kopf und Silvania atmete erleichtert auf.
    »Wir halten die Flutwelle mithilfe der Geister aller im Fluss ertrunkenen Menschen auf«, erklärte Ludo.
    Silvania vergaß vor Schreck Luft zu holen und starrte Ludo entsetzt an.
    In dem Moment erklang ein Rauschen, als würde der Wind durch einen dichten Wald fahren. Doch hier gab es weit und breit keinen Wald.
    »Sind das die Geister?«, keuchte Daka.
    Ludo hatte den Kopf etwas eingezogen und schielte hastig nach links und rechts. »Das muss die Flutwelle sein. Schnell, wir müssen die Geister beschwören, bevor es zu spät ist. Uns
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