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Biss der Wölfin: Roman

Biss der Wölfin: Roman

Titel: Biss der Wölfin: Roman
Autoren: Kelley Armstrong
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auch dies – wirkliche Stille konnte nur eins bedeuten: Ärger.
    Tom setzte seinen Rucksack auf dem Boden ab und hob das Gewehr, hielt es mit beiden Händen gepackt wie ein Samurai sein Schwert. Nicht, als ob Tom sich selbst hätte einreden wollen, dass ein Gewehr ihn zu einem Krieger machte. Hier draußen war er einfach nur ein Beutegreifer unter vielen, und dazu nicht einmal ein besonders eindrucksvoller.
    Als ein Schatten zwischen den Baumstämmen hindurchglitt, stand er vollkommen ruhig und verfolgte seine Bewegung, indem er sich langsam auf der Stelle drehte, während der Lauf sich um ein paar Zoll hob.
    Die beiden übelsten Fehler, die man in der Wildnis machen konnte, waren Sorglosigkeit und Panik. Doch so aufmerksam er jetzt auch hinübersah, er erhaschte nur einen einzigen kurzen Blick auf einen großen Schatten, auf allen vieren und geduckt. Dann war er wieder verschwunden.
    Ein Bär? Wenn sie nicht gerade Junge hatten, legten sie sich selten mit Menschen an. Und wenn sich ein Bär durchs Dickicht davontrollte, dann machte er einen Höllenlärm dabei, vor allem, wenn er gerade aus dem Winterschlaf aufgewacht war. Tom hatte keinen Laut gehört.
    Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, als sich ein paar alte Geschichten und Legenden in seine Gedanken schlichen. Es gab Bereiche in diesem Wald, in denen die älteren Inuit nicht einmal gegen Bezahlung jagen gingen. Dies sei das Territorium der Ijiraat, erklärten sie dann, die Jagdgründe der Formwandler; sie konnten die Gestalt von Wölfen oder Bären annehmen, um ihr Land gegen alle Eindringlinge zu verteidigen. Geschichten für die Kinder, sagte sich Tom; alte Männer, die versuchten, den Jüngeren Angst zu machen.
    Er tat einen Schritt vorwärts; seine Stiefel knirschten im Schnee. Eine Gestalt bewegte sich zwischen den Bäumen, kam näher, und Tom hob das Gewehr bis zur Schulter, den behandschuhten Finger am Abzug.
    Wolken glitten über den Mond, und der Wald wurde schwarz. Ein Zweig knackte zu seiner Linken. Tom hätte schwören können, dass er heißen Atem im Nacken spürte. Doch als er herumfuhr, war nichts zu sehen.
    Er nahm eine Hand vom Gewehr und wühlte in der Tasche nach der Taschenlampe. Sie blieb in den Falten hängen, und als er es mit einem Ruck versuchte, flog sie ihm aus der Hand und segelte in die umgebende Dunkelheit.
    Der Busch knackte jetzt zu seiner Rechten. Er fuhr wieder herum, den Finger am Abzug, und dieses Mal sah er einen undeutlichen Umriss. Er war im Begriff zu feuern, als ihm Danny Royce einfiel. Auch er war ein Trapper, und Danny war erst im vergangenen Sommer hier in diesem Tal vor einem Schatten erschrocken, aber er hatte tatsächlich gefeuert – nur um festzustellen, dass er einen Jungen erschossen hatte, einen zottelhaarigen Teenager, einen Tramper oder Camper wahrscheinlich. Danny hatte die Leiche begraben, und niemand hatte sie je gefunden, aber Danny war seither nicht mehr der Alte gewesen. Er schlief schlecht, trank zu viel, redete zu viel, faselte Tom seine Geschichte vor wie ein Sünder bei der Beichte und schwor, der Geist des Jungen ginge ihm nach. Tom wusste, das Einzige, was Danny Royce nachging, war das Schuldbewusstsein. Trotzdem hielt ihn die Geschichte vom Feuern ab.
    Der Umriss war verschwunden. Tom hielt den Atem an, als er den Wald nach einer Veränderung in den Schatten absuchte. Dann sah er es wieder, mindestens sieben Meter entfernt jetzt, eine riesige Gestalt zwischen zwei Bäumen. Die Wolkendecke war wieder dünn genug, dass der Mond hindurchschimmern konnte, und er sah seine Form – zu hell für einen Bären.
    Tom ging in die Hocke, so langsam er konnte, und begann, mit der freien Hand nach der Taschenlampe zu tasten. Er gestattete sich einen einzigen Blick auf den Boden hinunter und sah sie dort liegen, dunkel abgehoben gegen den Schnee. Er hob sie auf. Sein Finger fand den Schalter. Das Klicken klang laut und hart in der Stille. Nichts geschah. Er schlug die Lampe gegen den Oberschenkel und versuchte es wieder. Nichts.
    Etwas landete auf seinem Rücken mit einem so harten Schlag, dass er einen Augenblick lang glaubte, jemand habe auf ihn geschossen. Das Gewehr flog ihm aus der Hand. Ein Schwall heißer Luft versengte ihm den Nacken, und ein Gewicht nagelte ihn im Schnee fest.
    Als das Wesen ihn umdrehte, prallte die Taschenlampe von einem Baumstamm ab und ging in ebendem Moment an, da sich die Reißzähne in seine Kehle gruben. Tom erhaschte einen kurzen Blick auf hellen Pelz und
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