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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verbindungen vorerst zu hospitieren.« Der Korpssenior schien enttäuscht und betroffen, trat mit höflichem Lüften des Käppis beiseite, der Bursch aber nahm den neuen Ankömmling herzhaft unter den Arm und schleppte ihn in die Verbindungskneipe, wo eine solenne Einweihung in die löblichsten Trinkunsitten von statten ging. Auf Ottos Frage nach der Bedeutung verschiedener schwarzrotgoldener Embleme erhielt er die hochtönende Antwort: »Für deutsche Einheit und Freiheit.«
    »Ja, das ist schön. Und deshalb kam ich zu euch. Bei uns in Berlin schwärmt jedermann für die Einheit. Als ich bei Plamans war – das ist die Vorschule nach Grundsätzen vom Turnvater Jahn, versteht ihr –, hieß es immer, wir müßten später Burschenschafter werden. Und auf dem Gymnasium war es auch so. Doch was versteht ihr unter Freiheit?«
    »Ja siehst du, Bismarck,« man hatte eiligst Schmollis getrunken, »das läßt sich nicht so leicht feststellen. Und es wird so viel gespitzelt. Da müßten wir dir doch erst auf den Zahn fühlen.«
    »Was!« Ottos Augen blitzten zornig. »Ich will hoffen, daß ihr nicht glaubt – – Was ihr sagt, ist im Vertrauen. Sonst will ich lieber gleich gehen.«
    »Nur nicht so stürmisch, Herr Bruder«!« Man drückte ihn freundschaftlich auf den Stuhl nieder. »Über das, was Freiheit ist, denkt jeder verschieden. Soviel Köpfe, soviel Meinungen. Wie denkst du z. B. über Tyrannenmord?« Das scholl schauerlich-feierlich wie eine hochnotpeinliche Inquisitionsfrage.
    »Ich denke, daß Brutus oder Tell oder wie sonst all die Herren heißen mögen, Rebellen und Mörder sind«, versetzte der Jüngling mit einem gewissen kindlichen Pathos. »Auch sind alle deutschen Fürsten, die sich je gegen den Kaiser auflehnten, in meinen Augen Hochverräter. Autorität muß sein.«
    »Reaktionär! Schwarzblau!« murrte es um ihn her. »Nichts für uns!«
    »Aber,« fuhr Otto fort, »die Republik scheint mir am Ende doch das vernünftigste, denn wie kommen Millionen Menschen dazu, sich einem einzelnen zu unterwerfen? Leute, die es wissen mußten, habe ich sehr abfällig über die Höfe urteilen hören. Fürstendiener möchte ich nicht sein.«
    »Bravo, Marquis Posa!« »Aus dem kann was werden!« »Laß dich nur nicht von den Korps umgarnen!« –
    »Steht ihr mit denen auf Kriegsfuß? Gibt es viele Mensuren?« –
    »Silentium, krasser Fuchs! Wir Burschenschafter lassen uns nicht auf Raufhändel ein. Das gehört zum Mittelalter.« –
    »Wie, ihr gebt nicht Satisfaktion?« rief der Junkersohn betroffen.
    »Ja, wir weigern uns, feudalen Bräuchen zu fröhnen. Die Burschenschaft hat höhere Ziele, wir schulden unser Blut nur dem Vaterlande. Übrigens ist doch die blutige Mensur wie der Duellunfug bloß widersinnig, wenn die Korpsiers dabei von frommer Zucht und Gottesfurcht schwatzen. Denn das Gesetz verbietet das alles und die Kirche auch. Wie stehst du übrigens religiös?«
    »Ich bin Pantheist«, bekannte der Jüngling und sprach ein großes Wort gelassen aus. »Wißt ihr, bei uns in Berlin ist man riesig aufgeklärt. Mich hat der berühmte Schleiermacher konfirmiert ... den kennt ihr doch?« –
    »Und ob! Menschliches Christentum gegen die orthodoxen Ochsen. Na, das ist ja sehr erfreulich. Die Kirche hast du also überwunden?« –
    »Gründlich. Wenn ich eine Religion habe – ich meine damit etwas, was festhält und wonach man sich im Leben richtet –, dann ist es eigentlich sozusagen das Vaterland. Natürlich zuerst als Preuße –«
    »Kennt ihr meine Farben?« stimmte einer spöttisch an.
    »Du, laß das! Das sind gute Farben, schwarz auf weiß kann man getrost nach Hause tragen, sagt Goethe.«
    »Goethe, der Fürstenknecht!« ließ sich eine Baßstimme aus dem Hintergrund vernehmen. »Bei uns freien Burschen geht man über diesen alten Geheimderat zur Tagesordnung über. Veraltete Schönrednerei im Wolkenkuckucksheim. Dagegen der göttliche Schiller, dieser allein ist unser Mann. Nieder mit allen tintenklecksenden Romantikern! Nieder mit allen Philistern! Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.«
    »Na, erlaubt mal«, lachte der junge Märker mit humorvollem Zwinkern der Augen. »Wenn ihr erst die andere Hälfte der Brüder niedergemacht, bleibt nicht viel übrig. Aber Schiller hat auch gesagt: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre. Darin sind wir sicher alle einig, Adelige und Bürger. Übrigens, auf den Adel pfeife ich, das ›von‹ könnt ihr euch immer schenken, ich
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