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Bis zum letzten Atemzug

Bis zum letzten Atemzug

Titel: Bis zum letzten Atemzug
Autoren: Gudenkauf
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herauszufinden, was er will, und ihn langsam, aber sicher von seinem Vorhaben abzubringen. In der Sekunde, in der es einen Beweis dafür gibt, dass es eine Schießerei gibt, werden wir stürmen. Aber im Moment benötigen wir erst einmal weitere Informationen.
    »Hast du keine Angst, dass eine Panik ausbricht, wenn du die Eltern jetzt wegschickst?«, frage ich Aaron leise, damit niemand es hört.
    »Ich denke, die sind bereits panisch«, erwidert er. Er trägt eine mit Kaninchenfell gefütterte Fliegermütze mit Ohrenklappen, seine Nase ist von der Kälte ganz rot.
    Direkt nachdem meine Scheidung endgültig war, habe ich die Stelle als Police Officer im Polizeirevier von Broken Branch bekommen. Aaron war in dem Team, bei dem ich mein Vorstellungsgespräch hatte. Er ist um die vierzig, geschieden, hat zwei Kinder und ist ziemlich attraktiv. In dem Vorstellungsgespräch hat er mich gefragt, wieso ich in eine so kleine Gemeinde wie Broken Branch ziehen wollte, wo ich doch in einer größeren Stadt wie Waterloo gewohnt war. »Die Tatsache, dass Broken Branch eine kleine, ländliche Gemeinde ist, ist genau das, was mich anzieht. Es ist der perfekte Ort, um meine Tochter großzuziehen.« Was ich ihm in dem Gespräch verschwiegen habe, war, dass ich Abstand von Tim und der Scheidung brauchte. Waterloo war keine allzu große Stadt. Jedes Mal, wenn ich um eine Ecke bog, traf ich auf jemanden, der meinen Exmann kannte, meine Eltern oder der von meinem Bruder über den Tisch gezogen worden war. Außerdem waren die Dienstzeiten bei der Waterloo Police Force für eine alleinerziehende Mutter die Hölle. Broken Branch lag mit dem Auto nur eine gute Stunde von Waterloo entfernt, also nah genug, dass Tim unsere Tochter problemlos besuchen konnte.
    Ich habe mich Vorjahren in Broken Branch verliebt, als Tim und ich auf dem Weg nach Des Moines einmal hier durchkamen. Wir hielten an, um Honig von einem alten Mann zu kaufen, der die Gläser mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit von der Ladefläche seines Pick-ups verkaufte.
    »Broken Branch ist so ein ungewöhnlicher Name. Woher kommt er?«, hatte ich gefragt.
    »Oh, das ist eine tolle Geschichte«, hatte der Mann geantwortet, während er vorsichtig ein großes Glas Kleehonig, ein paar dünne Honigsticks und einige hausgemachte Bienenwachskerzen in eine Plastiktüte steckte, die er dann Tim reichte. »Die meisten Leute behaupten, er kommt daher, weil die armen Leute, die sich hier zuerst niedergelassen haben, einen riesigen gefallenen Baum entdeckten, der über zwanzig Meter lang war und einen enormen Bienenstock beherbergte. Tausende von Bienen summten in dem Baum und um ihn herum. Da die Menschen an den Honig heranwollten, riefen sie eine alte Frau zu Hilfe, die für ihren guten Umgang mit Bienen bekannt war. Die Geschichte besagt, dass die alte Frau zu dem ausgehöhlten Baumstamm ging und anfing, ein fremdes Lied zu singen. Alle Bienen schwiegen still und folgten ihr, als sie singend davonging. Sie hatte Bienen im Haar und auf ihren Armen, aber sie ging und sang immer weiter. Nicht eine Biene stach sie. Sie führte die Bienen zu einem anderen umgefallenen Baum am Fluss, wo sie sich ein neues Zuhause aufbauten. Die Siedler, die arm und am Verhungern waren, sammelten den ganzen Honig aus einem gebrochenen Ast des Baumes und lebten den ganzen Winter davon. Sie waren der alten Dame so dankbar, dass sie ihr anboten, das Dorf nach ihr zu benennen, aber sie sagte, der Dank gebühre den Bienen und dem Baum, der sie beherbergt hat. Und so respektierte man ihren Wunsch und nannte das Dorf Broken Branch.«
    Die Geschichte hatte mich vollkommen verzaubert, und als Tim und ich die friedlichen Straßen erkundeten, die von einfachen Häusern und hoch aufragenden Bäumen gesäumt wurden, wusste ich, dass ich nach Broken Branch zurückkehren würde. Ich wusste allerdings nicht, dass es für immer sein sollte.
    Glücklicherweise habe ich damals Chief McKinney, Aaron und den Rest des Teams ausreichend genug beeindruckt, sodass sie mir einen Job anboten.
    Ein paar Monate später fand ich mich nach dem Broken Branch Softball-Turnier, bei dem ich an der ersten Base gespielt hatte, allein mit Aaron in einer örtlichen Bar wieder. Ich hatte zu viel Sonne abbekommen, zu wenig Essen und zwei schale Biere, und in dem peinlichsten Moment meines Lebens machte ich einen halbherzigen Annäherungsversuch. Aaron hat mich sanft von sich geschoben und gesagt, dass er nicht an mir interessiert sei.
    »Ich bin langweilig
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